Freitag, 18. September 2015

Missverständnisse vermeidet man durch Rückfrage.

AP
aus scinexx

Sprache: 
Ein System gegen Missverständnisse
"Reparatur" von Kommunikation verläuft in allen Sprachen gleich

Alle Menschen auf der Erde beheben Missverständnisse im Gespräch auf dieselbe Weise – egal welche Sprache sie sprechen. Das grundlegende Prinzip dabei: Gespräch unterbrechen und nachfragen. Im Durchschnitt geschieht dies alle 90 Sekunden. Doch nur wir Menschen sind zu einer solchen "Reparatur" in der Lage, obwohl auch andere Arten zu komplexer Kommunikation fähig sind. Die Forscher hoffen, mit ihren Erkenntnissen unsere Kommunikation verbessern zu können – mit Computern, aber auch untereinander.

Wenn Menschen miteinander sprechen, kommt es leicht zu Verständnisproblemen. Manchmal hört man einzelne Worte nicht richtig, ein andermal sind die Zusammenhänge unklar, oder man ist sich nicht sicher, das Wesentliche verstanden zu haben. Glücklicherweise lassen sich solche Missverständnisse normalerweise schnell klären – im Durchschnitt tun wir das alle 90 Sekunden. "Ohne ein solches System würde unsere Kommunikation ständig fehlschlagen", sagt Mark Dingemanse vom Max-Planck-Institut für Psycholinguistik in Nijmegen.

Ein Team von Sprachwissenschaftlern unter der Leitung von Dingemanse hat nun untersucht, ob es weltweit Unterschiede in diesem System gibt. Dazu haben die Forscher Videoaufzeichnungen von Gesprächen in zwölf verschiedenen Sprachen aus fünf Kontinenten ausgewertet. Das Spektrum reichte von Englisch, Russisch und Hochchinesisch bis zu Cha’paa in Ecuador, Siwu in Ghana und argentinischer Gebärdensprache. All diese Sprachen unterscheiden sich in ihrer Phonetik und ihrer Grammatik grundlegend voneinander.

Ein System, drei Strategien

Der Vergleich ergab, dass überall das gleiche grundlegende System für sprachliche Unklarheiten und deren Behebung verwendet wird. Die "Reparatur" der Kommunikation erfolgt also völlig unabhängig von Sprache oder Kultur. Das Prinzip besteht darin, den Gesprächsverlauf zu unterbrechen und durch Nachfragen um Klarstellung des gerade Gesagten zu bitten. Dabei identifizierten die Forscher drei grundlegende "Reparatur"-Strategien, die die Sprechenden regelmäßig anwendeten.
Zwölf Sprachen mit sehr unterschiedlicher Phonetik und Grammatik wählten die Linguisten für ihre Untersuchung aus.

Die erste ist eine offene Nachfrage, beispielsweise ein simples "Häh?". Sie signalisiert ein grundlegendes Verständnisproblem und erfordert den größten Klärungsaufwand. Das gesagte muss vollständig wiederholt und vielleicht sogar erklärt werden.

In der zweiten Strategie kommen konkrete Fragen wie "Wer?" oder "Wo?" zum Einsatz. Es geht also nur um bestimmte Angaben oder genauere Details, die unklar geblieben sind.

Die dritte Möglichkeit ist, dass der Zuhörer das gerade Gesagte wiederholt oder in eigenen Worten formuliert und um Bestätigung zu bittet, also in etwa "Habe ich richtig verstanden, dass…" Dies erfordert den geringsten Klärungsaufwand, im besten Fall ein bestätigendes "Ja".

Sprache als Gesprächsthema

Auffällig ist dabei, dass die meisten Leute dieses "Reparatur"-System uneigennützig einsetzen: Der Zuhörer wählt zumeist eine Strategie, die das Verständigungsproblem mit möglichst geringem Aufwand für den Sprecher löst. So stellen Zuhörer eher konkrete Nachfragen als eine einfachere Form wie "Häh?" zu verwenden. Das zeigt den Forschern zufolge den zutiefst sozialen Charakter des menschlichen Sprachgebrauchs.

Diese Reparaturmechanismen machen die menschliche Sprache zu etwas Besonderem: Zwar haben auch andere Spezies komplexe Kommunikation entwickelt, wie etwa die Gesänge von Walen oder die Tänze der Bienen zeigen. Die Kommunikation zu unterbrechen und Missverständnisse zu klären ist jedoch nur beim Menschen bekannt. Nur Menschen seien in der Lage, ihre Sprache selbst zum Thema des Gesprächs zu machen, erläutern die Forscher.

Meister der Kommunikations-Reparatur

Menschen zeichnen sich zudem dadurch aus, dass sie den Erfolg der gegenseitigen Verständigung überprüfen. "Wir sind Meister der Art von Zusammenarbeit, wie sie für eine 'Reparatur' in der Kommunikation benötigt wird", fasst Koautor Nick Enfield zusammen.

Die Wissenschaftler hoffen, dass ihre Erkenntnisse in Zukunft dazu beitragen, Computer "menschlicher" reagieren zu lassen, wenn sie gesprochene Anweisungen nicht verstehen. Weitere Anwendungsmöglichkeiten sieht das Forscherteam im Sprachenunterricht oder bei der Zusammenarbeit über verschiedene Sprachen und Kulturen hinweg. (PLOS ONE, 2015; doi: 10.1371/journal.pone.0136100)

(Max-Planck Gesellschaft, 17.09.2015 - AKR)


Nota. - Hätten Sie's gedacht? Missverständnisse klärt man am besten durch Nachfrage.

Nein, das ist nicht wirklich eine Nachricht. Eher schon die: Tieren können das nicht. Doch genau betrachtet hat auch das keinen Informationswert. Zum Fragen gehört nämlich Sprache im strengen Sinn: digitale Sprache. Logisch lässt die jede Frage - auch: "Dieses oder jenes?" - zurückführen auf die Grundstruktur Ja oder nein? Das Nein lässt sich aber in einem analogen Darstellungsmodus nicht ausdrücken, sondern nur in einem digitalen. Nur in einer Zeichen-Sprache. Und das läuft hinaus auf eine gesprochene Sprache: Gebär- densprachen sind in Analogie dazu entstanden. 

Nicht dagegen die Verständigungssysteme von Tieren, die können Natur-gemäß nur analog sein. Und weil sie den Verneinungsmodus nicht darstellen können, können sie auch den Fragemodus nicht zum Ausdruck bringen. Anders gesagt, ab einem gewissen Grad benötigt Zusammenarbeit die Möglichkeit, Kommunika- tionsstörungen zu beheben; ab einem gewissen sozialen Komplexitätsniveau bedarf die Kommunikation einer Zweiten semantischen Ebene; bedarf das Denken der Reflexion.

Das wussten wir vorher; obige Forschung hat es nochmal illustriert; schaden kann das nicht.
JE



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