Donnerstag, 10. September 2015

Homo naledi.


aus nzz.ch, 10.9.2015, 16:45 Uhr

Entdeckung einer neuen Menschenart
Spekulationen über Bestattungsrituale früher Menschen
Wissenschafter haben in einer Höhle in Südafrika die fossilen Überreste einer bisher unbekannten Menschenart entdeckt. Es gibt auffällige Parallelen zum modernen Menschen.

von Stephanie Lahrtz

Erneut muss der Stammbaum des Menschen erweitert werden: Homo naledi heisst die am Donnerstag in den Zeitschriften «eLife» und «National Geographic» präsentierte neue Verwandtschaft. Gemäss ihren Entdeckern, einem internationalen Forscherteam unter Leitung von Lee Berger von der University of Witwatersrand in Südafrika, waren die Angehörigen der neuen Menschenart rund 1 Meter 50 gross, wogen durchschnittlich 45 Kilogramm – hatten aber «nur» ein Gehirn von der Grösse einer Orange. Seit der Erstentdeckung 2013 sorgen die Knochen immer wieder für Aufregung nicht nur in der Fachwelt.

Fast intakte Hände und Füsse

Gefunden wurden die Fossilien nämlich in einer abgelegen, völlig lichtlosen und nur durch einen 18 Zentimeter schmalen Spalt erreichbaren Kammer des «Rising Star»-Höhlensystem, einem Unesco-Weltkulturerbe nordwestlich von Johannisburg. Der Fundort deute daraufhin, dass es sich um eine Grabkammer handeln könne, schreiben die Forscher. Das wäre sehr erstaunlich, denn Bestattungen gelten als Erfindung und auch Fähigkeit des modernen Menschen.



Ebenso sensationell wie der Fundort ist auch die Menge der geborgenen Fossilien. Denn man hat bisher über 1550 Knochen und Knöchelchen von insgesamt 15 Individuen, von einem Neugeborenen bis hin zu einem Greis, eingesammelt. Jeder Knochen komme mehrfach vor, so dass man ausschliessen könne, bei Homo naledi handele es sich um eine pathologische Variante bereits bekannter Hominiden betonen die Forscher. Weitere Knochen liegen noch in der Höhle. Für Anthropologen ein äusserst seltenes Glück ist zudem die Tatsache, dass man fast komplette Fuss- sowie Handskelette gefunden hat, die teilweise noch original zusammenlagen.



Die genaue Analyse der Fossilien hat ergeben, dass Homo naledi eine zuvor nie gesehene Mischung unterschiedlichster Merkmale ist. Er ähnelt nämlich in manchen körperlichen Charakteristika den modernen Menschen, in anderen hingegen sehr frühen Hominiden. So konnte Homo naledi dank seines «modernen» Fusses längere Strecken aufrecht gehen. Seine Hände waren allem Anschein nach für den Werkzeuggebrauch geeignet. Allerdings waren seine Finger gekrümmt, Homo naledi kletterte also vermutlich immer wieder längere Zeit in den Bäumen herum. Und seine Schultern ähneln denen von Menschenaffen.

Keine Altersbestimmung

Für Experten ist die neue Art ein weiterer Beweis, dass die Entwicklung des Menschen allem Anschein nach keineswegs linear von einem Menschenaffen-ähnlichen Individuum bis hin zum Homo sapiens verlaufen ist. Offenbar entwickelten sich immer wieder neue Homo-Varianten. Manche erwiesen sich als Irrweg und starben aus, andere hingegen besassen neue Merkmale, die für das Überleben einen enormen Vorteil darstellten und somit im Genpool erhalten blieben. Die Tatsache, dass H. naledi zwar ein sehr kleines Gehirn besass, aber offenbar Werkzeuge nutzte, widerlegt laut den Autoren die Lehrmeinung, dass manche kognitive Fähigkeiten und gewisse körperliche Entwicklungen sich gegenseitig bedingen und parallel entwickelt haben.



Allerdings kann das Forscherteam bis anhin nicht sagen, wie alt die Fundstücke sind. Dies ist ein grosses Manko. Denn so bleiben alle Versuche der Deutung und Einordnung spekulativ.


Kletter- & Greifhand

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