Dienstag, 29. Juli 2014

Schwarmeinfalt.

Wie von Geisterhand dirigiert.
aus nzz.ch, 29. Juli 2014, 14:00

Der kollektive Tanz der Stare
Ordnung begünstigt schnelle Entscheidungen



Einem Schwarm von Staren zuzuschauen, ist ein unvergessliches Erlebnis. Wie aus dem Nichts ändern die Vögel jäh ihre Flugrichtung, ohne dass der Zusammenhalt der Gruppe dabei verloren geht. Seit Jahren schon fragen sich Wissenschafter, welche Mechanismen dem kollektiven Verhalten der Stare zugrunde liegen und warum dieses so robust ist. Forscher aus Italien, den USA und Argentinien haben nun eine Antwort parat. Mit einem System von drei Kameras konnten sie die räumliche Bewegung von jedem einzelnen Vogel in einem Schwarm aufzeichnen. Die dabei gewonnenen Erkenntnisse stehen im Einklang mit einer von den Forschern formulierten Theorie der kollektiven Bewegung.¹

Anhand der rekonstruierten Flugbahnen der einzelnen Vögel konnte die Gruppe um Andrea Cavagna von der Sapienza-Universität in Rom ein Ranking erstellen, welcher Vogel zu welchem Zeitpunkt seine Richtung geändert hatte. Wie die Forscher feststellten, hat die Entscheidung zum Richtungswechsel einen lokalen Ursprung und breitet sich dann rasch über den gesamten Schwarm aus. Damit ist klar, dass die Vögel nicht auf einen äusseren Stimulus reagieren.

Die Ausbreitungsgeschwindigkeit der Information kann zwar von Schwarm zu Schwarm variieren. In allen Fällen wächst die zurückgelegte Distanz der Information jedoch linear mit der Zeit. Ebenso wichtig für den Zusammenhalt des Schwarms ist eine zweite Beobachtung. Obwohl die Information zur Richtungsänderung über viele Zwischenstationen wandert, scheint sie sich kaum abzuschwächen. Im Schwarm herrschen also ganz andere Verhältnisse als beim Spiel «stille Post».

Zur Erklärung dieser Merkmale griffen die Forscher auf ein häufig verwendetes Modell der kollektiven Bewegung zurück: Demnach versucht jeder Vogel, seine Geschwindigkeit in Betrag und Richtung an die seiner nächsten Nachbarn anzupassen. Er bewegt sich also unter dem Einfluss einer Kraft, die von seinem sozialen Umfeld produziert wird. Mit diesem Ansatz erlitten die Forscher allerdings Schiffbruch. Es liess sich weder die lineare Ausbreitung der Information reproduzieren noch die geringe Dämpfung.

Das bewog die Forscher, nach einem besseren Ansatz zu suchen. Geleitet von Symmetrieüberlegungen erweiterten sie ihre Theorie um einen Trägheitsterm, der den Widerstand der Vögel gegen Änderungen ihrer Winkelgeschwindigkeit berücksichtigt. Im Unterschied zur alten Theorie kopieren die Vögel nun nicht mehr die Richtungen, in die ihre unmittelbaren Nachbarn fliegen; sie kopieren vielmehr, wie abrupt die Nachbarn ihre Flugrichtung ändern. Mit dieser erweiterten Theorie liessen sich die wesentlichen Merkmale der Informationsausbreitung reproduzieren.

Es gibt noch einen weiteren Punkt, der für die Theorie spricht. Aus ihr lasse sich ableiten, dass sich die Information über Richtungswechsel umso schneller in einem Schwarm ausbreiten könne, je geordneter dieser sei, sagt Asja Jelić, eine der Hauptautorinnen der Veröffentlichung. Diese Vorhersage werde durch die Daten bestätigt.

Für die Autoren hat dieser Zusammenhang zwischen Ordnung und Ausbreitungsgeschwindigkeit der Information eine tiefere Bedeutung. Sie glauben, dass Schwärme einen Zustand hoher Ordnung annehmen, weil dadurch die kollektive Entscheidungsfindung beschleunigt und der Zusammenhalt des Schwarms gestärkt wird.

¹ Nature Physics, Online-Publikation vom 27. Juli 2014.



Nota.

Haben Sie mal was von der Piratenpartei gehört? Ach, schon wieder vergessen! Na, diesen einen kleinen Verdienst hat deren Untergang doch gehabt: Der Blödsinn von der Schwarmintelligenz, durch die aus einem Sauhaufen ganz von allein ein kluger Mann werden kann, ist (Er zu Recht!) ein für alle Mal diskreditiert. Die Ordnung muss vorher dagewesen sein, damit sie sich "von allein" immer wieder einstellen kann. Na, vielen Dank auch! haben sie sich gesagt, und sind der Sauhaufen geworden, der sie anfangs gar nicht gewesen sind.
JE

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