Samstag, 5. Juli 2014

Das Hormon in deinem Charakter.

Messerschmidt, Charakterkopf
aus Der Standard, Wien, 26. 6. 2014 

Vertrauen ist gut, Hormone machen's besser 
Welchen Einfluss Hormone und Neurotransmitter darauf haben, wem wir vertrauen, erforscht der Schweizer Christoph Eisenegger - neuerdings in Wien

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Wien - Warum entwickeln manche Leute schneller Vertrauen in ihre Mitmenschen als andere? Wie reagieren Personen auf Vertrauensbruch? Und welche chemischen Vorgänge in unserem Gehirn haben einen Einfluss auf das Entscheidungsverhalten in solchen komplexen Situationen?

Fragen wie diese versucht der Neurobiologe Christoph Eisenegger zu beantworten - und dringt dabei tief in die hormonellen Grundlagen des menschlichen Verhaltens ein. Denn Hormone und Neurotransmitter spielen eine zentrale Rolle bei der Steuerung des Sozialverhaltens. "Wir gehen davon aus, dass Dopamin die kognitive Flexibilität beeinflusst", sagt Eisenegger. Inwieweit der Botenstoff Dopamin dafür verantwortlich ist, dass Menschen im sozialen Kontakt mit anderen lernen, wem sie vertrauen können, ist einer der Forschungsschwerpunkte des Schweizers.

Eisenegger leitet seit März an der Universität Wien eine "Vienna Research Group for Young Investigators". Der Wiener Wissenschafts-, Forschungs- und Technologiefonds WWTF fördert die Gruppe mit 1,5 Millionen Euro für die Dauer von acht Jahren. Ziel des Programms ist es, vielversprechende junge Forscher nach Wien zu holen und längerfristig an diesem Standort zu halten.

Neuroökonomie und Magie

Der 36-Jährige schloss an der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) in Zürich sein Neurobiologie-Studium ab. Daneben arbeitete er bei dem österreichischen Wirtschaftswissenschafter Ernst Fehr an der Universität Zürich. Fehr ist einer der führenden Vertreter der Verhaltensökonomie und Mitbegründer der damals noch jungen Forschungsrichtung der Neuroökonomie - der Verbindung von Neurowissenschaften und Mikroökonomie.

2005 haben Forscher rund um Fehr gezeigt, dass das "Kuschelhormon" Oxytocin nicht nur hilft, Mutter-Kind-Beziehungen zu festigen, sondern - per Nasenspray verabreicht - das Vertrauen von Versuchspersonen erhöht. Oxytocin-gesteuert waren diese bereit, einer anderen Person höhere Geldbeträge anzuvertrauen als Teilnehmer einer Testgruppe, die nur ein Placebo bekamen. "Das war wie Magie", erzählt Eisenegger. "Die Idee, mit pharmakologischen Substanzen das soziale Verhalten zu beeinflussen, hat mich seither fasziniert."

Fairness durch Testosteron

Mehr über das Feld der Psychopharmakologie eignete er sich zuletzt an der Universität Cambridge an, wo er die neurobiologischen Grundlagen von Entscheidungsprozessen und die Rolle des menschlichen Belohnungssystems erforschte. Er fand außerdem heraus, dass Frauen unter Testosteron-Einfluss überraschenderweise fairer handeln. In Wien will er sich nun der Entwicklung neuer Ansätze zur Analyse zwischenmenschlicher Interaktionen widmen. Und dabei geht es oft um Vertrauen.

Als Basis vieler Experimente dient denn auch das sogenannte Vertrauensspiel, ein aus der ökonomischen Spieltheorie geborgtes Versuchsszenario. Eine Person hat einen bestimmten Geldbetrag zur Verfügung und kann entscheiden, wie viel davon sie einer Treuhandperson überweist. Nach dem Transfer wird der Betrag verdreifacht. Der Treuhänder kann den Gewinn dann mit dem Investor teilen oder aber unfair reagieren und alles für sich behalten. "Wenn eine Vertrauensbasis da ist, profitieren beide", erklärt Eisenegger.

Lernen über das Belohnungssystem

Dopamin kann die Fähigkeit steigern, durch wiederholte Interaktionen zu lernen, ob ein Partner vertrauenswürdig ist. Das wies Eisenegger gemeinsam mit Kollegen in einer Studie nach, die im Vorjahr im Fachmagazin "Plos One"  veröffentlicht wurde. Dabei bekamen 200 Versuchspersonen eine Dopamin-Vorstufe verabreicht und spielten 20 Runden eines Vertrauensspiels - entweder mit einem sozialen Gegenüber oder mit einem egoistischen.

"Die Hypothese ist, dass Lernen über das Belohnungssystem - in dem Dopamin eine wichtige Rolle spielt - verbessert wird", sagt Eisenegger. "Wenn die erwartete Reaktion eintritt, man also Geld zurückbekommt, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass man dem Gegenüber vertraut und ihm wieder Geld überlässt." Gehirnscans in früheren Studien haben bereits deutlich gemacht, dass Hirnregionen, in denen Dopamin gehäuft auftritt, bei gegenseitigem Vertrauen aktiviert werden.

Die Ergebnisse zeigten nicht nur, dass Versuchspersonen unter Dopamin-Einfluss schneller lernten, fairen Spielpartnern zu vertrauen. Es zeigte sich auch, dass sich der Effekt verstärkte, wenn die Person von ihrer genetischen Ausstattung her dafür prädestiniert war, also etwa durch mehr Rezeptoren sensibler auf Dopamin reagierte.

Therapie für Schizophrenie

"Die Persönlichkeit eines Menschen ist immer noch der stärkste Faktor für das soziale Handeln", räumt Eisenegger ein. "Offensichtlich erhöhen Hormone aber die Wahrscheinlichkeit, dass ein bestimmtes Verhalten auftritt." Die Forschung könnte helfen, neue Therapiemöglichkeiten für Patienten, die an Schizophrenie leiden, zu finden. Bei ihnen ist unter anderem das Dopaminsystem gestört - Misstrauen gegenüber den behandelnden Ärzten erschwert oft die Betreuung.

Vorerst will Eisenegger geeignete Verhaltensexperimente entwickeln, um damit valide Modelle zu schaffen, die komplexe soziale Interaktionen abbilden und Verhalten neurobiologisch erklärbar machen. So sollen nicht nur Vertrauensbeziehungen in ihre kleinsten Bestandteile zerlegt werden, sondern etwa auch Situationen, in denen Menschen im Wettbewerb mit anderen agieren.

Keine leichte Aufgabe - was eine fächerübergreifende Kooperation von Mathematikern, Verhaltens- und Hirnforschern nötig macht. Möglichkeiten für intensive Zusammenarbeit bieten die Cognitive-Science-Forschungsplattform sowie das Zentrum für soziale, kognitive und affektive Neurowissenschaften (Scan-Unit) der Uni Wien. Auch hier spielt Vertrauen eine große Rolle. "Es hilft entscheidend, sich auf andere Sichtweisen einzulassen", sagt Eisenegger. Ein Experiment im Experiment - sozusagen.
 

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