aus derStandard.at, 15. April 2018, 16:15
Unterschwellige Bilder
beeinflussen, wie wir ein Gesicht interpretieren
US-Psychologen nutzten für ihr Experiment das Phänomen der Augendominanz
San Francisco – "Wir nehmen nicht passiv Informationen von außen wahr
und reagieren dann darauf. Wir konstruieren Wahrnehmungen der Welt als
Architekten unserer eigenen Erfahrung." So fasst die Psychologin Erika
Siegel von der University of California die Ergebnisse einer
Versuchsreihe zusammen, die sie mit ihrem Team durchführte.
Bei dem Experiment mussten die insgesamt 43 Probanden einen
Gesichtsausdruck interpretieren. Dieser Ausdruck war stets neutral –
dennoch kamen die Probanden zu unterschiedlichen Interpretationen, weil
ihnen die Forscher ohne ihr Wissen zusätzliche Bilder untergejubelt
hatten.
Links und rechts in leichtem Widerspruch
Dabei machten sich die Forscher das Phänomen der Augendominanz zunutze:
Den meisten Menschen ist gar nicht bekannt, dass – ähnlich wie bei der
Händigkeit – eines ihrer Augen dominant ist; bei der Mehrzahl ist es das
rechte. Über dieses Auge gewonnene Eindrücke werden bevorzugt, die des
anderen werden gleichsam auf die des dominanten verschoben. Welches Auge
dominant ist, lässt sich sehr schnell mit einem einfachen Versuch
feststellen.
In ihrem Experiment ließen die Forscher vor dem dominanten Auge der
Probanden eine Abfolge von Stimuli aufblitzen: jeweils ein verpixeltes
Bild gefolgt von einem neutralen Gesichtsausdruck. Zeitgleich wurden den
Probanden – ohne dass ihnen dies bewusst geworden wäre – auch vor dem
anderen Auge Bilder vorgeführt. Diese zeigten grimmige, neutrale oder
lächelnde Gesichter und hatten einen geringen Kontrast, um nicht doch
bewusst wahrgenommen zu werden.
Anschließend sollten die Probanden aus einer Fünferreihe von Gesichtern
jenes auswählen, das ihrer Meinung nach am besten dem entsprach, das sie
zuvor in der Bilderfolge gesehen hatten. Das Ergebnis war keine
Zufallsverteilung: Wenn den Probanden unterbewusst ein lächelndes
Gesicht untergeschoben worden war, glaubten sie tendenziell auch das
bewusst wahrgenommene neutrale Gesicht als lächelnd in Erinnerung zu
haben.
Unkontrollierbare Faktoren
Siegels Team hatte in früheren Studien bereits gezeigt, dass der
Gefühlszustand eines Menschen beein- flusst, ob er ein eigentlich
neutrales Gesicht als freundlich oder bedrohlich wahrnimmt. Die neue, in
"Psychological Science" veröffentlichte Studie ergänzt dies nun um
unterschwellige Eindrücke von außen. Dieser bislang verkannte Effekt
könne im Alltag durchaus Konsequenzen haben, resümieren die Forscher:
etwa wenn Geschworene beurteilen sollen, ob ein Angeklagter reuig wirkt,
und dieses Urteil von Faktoren beeinflusst wird, die ihnen gar nicht
bewusst sind. (red.)
Abstract
Psychological Science: "Seeing What You Feel: Affect Drives Visual Perception of Structurally Neutral Faces"
Nota. - In der Sache nix Neues.
Es beweist nicht, dass wir alle unsere Wahrnehmungen "nur konstruieren". Es beweist allerdings, dass unsere Wahrnehmung nicht das Abbild 'der Wirklichkeit' ist. - Ex negativo läuft das freilich auf dasselbe hinaus.
JE
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