Gibt es die "Weltformel"?
Große Hoffnung und viele Fehlschläge
In den 1960er und 1970er Jahren herrschte Aufbruchsstimmung in der Physik. Die lange gesuchte "Weltformel" schien plötzlich zum Greifen nahe. Denn Forschern war es gelungen, zwei der Grundkräfte zu vereinen: den Elektromagnetismus und die schwache Kernkraft.
Eine erste Verschmelzung
Sheldon Glashow, Steven Weinberg und Abdus Salam konnten theoretisch nachweisen, dass diese Kräfte bei hohen Energien von rund 100 Gigaelektronenvolt verschmelzen. Sie sind dann nur Manifestationen einer übergeordneten Kraft – der sogenannten elektroschwachen Wechselwirkung. Erst bei niedrigeren Temperaturen und Energien bricht diese Symmetrie zusammen – unter anderem durch Einwirkung des Higgs-Mechanismus. Denn er verleiht den Eichbosonen der schwachen Kernkraft eine Masse, dem Photon aber nicht.
1979 erhielten die drei Forscher dafür den Nobelpreis für Physik. Glashow und Weinberg sahen dies jedoch nur als einen ersten Schritt hin zur "Grand Unifying Theory" (GUT) – der großen vereinheitlichten Theorie. Sie entwickelten ein System, das es erlaubte, die Trägerteilchen von elektromagnetischer, schwacher und starker Wechselwirkung in mathematische Symmetriegruppen einzuordnen – die Grundlage für das heutige Standardmodell der Teilchenphysik.
Erklärungsnöte
Der nächste Schritt, die Vereinigung der starken Kernkraft mit den anderen beiden Grundkräften, schien nur noch eine Frage der Zeit. "Der Geruch der großen Synthese lag förmlich in der Luft", beschreibt US-Physiker Lawrence Krauss die Stimmung. Doch dieser Optimismus erwies sich als verfrüht. Zum einen können selbst die stärksten Teilchenbeschleuniger nicht einmal ansatzweise in den Energiebereich vordringen, der für eine Verschmelzung von starker und elektroschwacher Wechselwirkung nötig wäre. Sie lässt sich daher experimentell nicht direkt beweisen.
Die Supersymmetrie postuliert die Existenz von schweren Partnerteilchen für jedes bisher bekannte Elementarteilchen.
Im
Gegenteil: Messungen deuten inzwischen darauf hin, dass es offenbar
nicht genügt, einfach von noch höheren Energie auszugehen, um auch die
starke Kernkraft mit ins Boot zu bringen: "Präzisere Messungen
demonstrierten, dass sie sich in keiner Größenordnung vereinen – wenn es
nur die Teilchen gibt, die bisher im Standardmodell vorkommen", erklärt
Krauss. Neuere Varianten der GUT versuchen daher, dieses Problem durch zusätzliche Teilchen oder Dimensionen zu umgehen, darunter die Supersymmetrie und die Stringtheorie. Bisher allerdings sind auch sie bloße Gedankengebäude ohne echtes Fundament.
Das Problem des Protonenzerfalls
Und noch einen Haken gibt es: Fast alle GUT-Varianten funktionieren nur, wenn es einen Zerfall des Protons gibt. Der Atombaustein dürfte demnach nicht unendlich lange stabil sein wie bisher angenommen, sondern müsste irgendwann spontan zerfallen - wenngleich erst nach 10 hoch 34 Jahren.
Das Problem dabei: Trotz dieser unvorstellbaren Halbwertszeit müsste sich der Protonzerfall experimentell leicht nachweisen lassen. Allein in unserem Körper tragen wir genügend Protonen, um in einem Jahr mindestens einen Zerfall zu erleben. In den gewaltigen Wassertanks von Detektoren wie dem Super-Kamiokande in Japan hätte daher längst einer dieser Zerfälle beobachtet werden müssen.
Doch das ist nicht der Fall. "Damit sind die meisten Varianten der einheitlichen Feldtheorie ausgeschlossen", konstatiert Krauss. Auch Glashow räumt dies ein: "Der Protonenzerfall ist ein Fehlschlag. Viele große Ideen sind damit gestorben."
Bleibt die Weltformel ein Traum?
Und nicht nur das: Wenn die große Vereinheitlichung schon bei den drei Grundkräften mit bekannten Trägerteilchen und gemeinsamer Quantenphysik nicht funktioniert, dann sieht es für die ganz große Weltformel richtig düster aus. Denn die Gravitation entzieht sich bisher dem übergeordneten quantenphysikalischen System, ganz zu schweigen von ihrem noch immer unentdeckten Boson.
Noch ist der Traum einer Weltformel damit zwar nicht völlig ausgeträumt. Aber es wird immer klarer, dass die von Einstein einst so optimistisch angegangene Vereinheitlichung der Grundkräfte viel komplexer und komplizierter ist als lange angenommen. Ob die Weltformel daher gibt und ob sie je gefunden wird, bleibt offen.
(von Nadja Podbregar, 28.07.2017)
Nota. - Von Philosophie verstehe ich etwas; von Transzendentalphilosophie, genauer gesagt. Auch von den Naturwissenschaften habe ich dies und das gehört, aber dass ich es verstünde, hatte ich nicht oft das Ge- fühl. Doch hier handelt es sich nicht um Naturwissenschaft, sondern um deren allgemeinverständliche Zu- sammenfassung. Ob und wieweit es zutrifft, kann ich nicht beurteilen; ich nehme an, dass es den 'Stand der Wissenschaft' loyal wiedergibt.
Die Philosophie lehrt mich, dass ich von den Dingen selber gar nichts weiß. Ich habe Vorstellungen von ihnen, über die kann ich reden, und ich kann mich fragen, wie ich zu ihnen gekommen bin. Ich werde be- merken, dass ich bei der Aufnahme, Anordnung und Bewertung der Daten, die mir meine Sinnesorgane vermelden, gewisse Schemata verwende - das, was bei Kant das 'Apriori' heißt. Bis dahin ist das noch keine Philosophie, sondern entspricht den Ergebnissen der empirischen (psychologischen) Forschung. Wenn es stimmt, verwendet sie allerdings selber besagte Schemata, sie kommt hinterdrein und ist nicht befähigt, die Schemata auf ihre Herkunft und Berechtigung zu prüfen.
Das ist Sache der Philosophie, nämlich der kritischen oder 'Transzendental'-Philosophie; transzendental darum, weil sie nach den Bedingungen ihrer eigenen Möglichkeit fragt. So kritisch und radikal sie immer verfährt - sie bleibt doch immer im Rahmen unserer tatsächlichen Vorstellungsmöglichkeiten, will sagen: andere Voraussetzungen als die, die sie selber macht, sind ihr nicht möglich.
Kant selber hatte die Möglichkeit offengelassen, dass unser Vorstellungsvermögen von einem Schöpfer so angelegt wurde, wie es eben ist. Der Naturwissenschaftler, der an dieser Stelle wieder zu Wort kommt, sagt, unser Vorstellungsvermögen ist wie jedes andere unserer Vermögen ein Produkt der natürlichen Evolution: Anpassung und Auslese. Wir können uns nicht vorstellen, was wir uns vorstellen könnten, wenn wir uns in einer anderen Ecke des Universums hätten entwickeln müssen; wir können uns nicht einmal vorstellen, was in unserer Welt die Biene dort sieht, wo bei uns das ultraviolette Licht unsichtbar wird.
Es ist Wunders genug, dass die irdische Beschränktheit unserer Vorstellungskraft uns nicht daran gehindert hat, durch das Übersetzen von konstruierten Begriffen in mathematische Formeln uns Dinge denkbar zu machen, die wir uns nicht vorstellen können. Das Wunder hat einen Namen, es heißt Symbolisierung. Mit den Symbolen können wir operieren, ohne unsere Vorstellungskraft jeweils mitbemühen zu müssen. Da- durch werden die Symbole indessen kein bisschen objektiver: Sie bleiben immer willkürlich gewählte Zeichen für eine subjektive Bedeutung. Die Bedeutung bezieht sich immer nur darauf, was wir mit dem Ding anfangen können, und nicht auf das, was das Ding 'ist', und ob eine Bedeutung 'stimmt', wird sich erweisen oder nicht.
Wenn also Einstein meinte, sein Geist könne sich nicht mit der Vorstellung zufriedengeben, dass es im Univerum "zwei getrennte Felder gibt, die in ihrer Natur völlig voneinander unabhängig sind", so sagt er etwas darüber, welche Vorstellungen unsere Gattungsgeschichte unserm Gehirn möglich gemacht hat; aber nichts über die Beschaffenheit der 'Dinge'.
Es wäre des Wunders viel zu viel, wenn sich erwiese, dass wir durch das Kombinieren von Symbolen Formeln konstruieren können, denen 'das Ding' entspricht. Denn hier geht es nicht um dieses oder jenes Ding - da könnte der Zufall beispringen -, sondern um den Inbegriff aller Dinge. Den könnte nur kennen, wer 'Alles' erschaffen hat. Und andernfalls gäbe es ihn gar nicht.
Indem nun die Transzendentalphilosophie den Gedanken einer Schöpfung undenkbar* macht, schließt sie die Möglichkeit einer Weltformel aus; und darauf will ich wetten.
JE
*) Kant hatte ihn dem Glauben zugestanden, aus der Wissscenschaft jedoch verbannt.
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