aus derStandard.at, 17. Juli 2015, 11:29
Zellulärer Mechanismus für die Gedächtnisbildung entdeckt
Rückwärts wandernde elektrische Impulse aktivieren Rezeptor im Zellinneren
Berlin – Deutschen Forschern ist es gelungen, einen möglicherweise entscheidenden Mechanismus für die Gedächtnisbildung auf die Spur zu kommen. Die Wissenschafter von der Charité–Universitätsmedizin Berlin haben beobachtet, dass rückwärts wandernde elektrische Impulse einen Rezeptor im Innern von Nervenzellen aktivieren und so die Calciumantwort in ausgewählten Bereichen einer Nervenzelle langfristig verändern.
Forschungsergebnisse der vergangenen Jahrzehnte zeigen immer deutlicher, dass Gedächtnisinhalte in Form von dauerhaften Veränderungen in der Art und Weise, wie Nervenzellen miteinander kommunizieren und in der Stärke ihrer Verbindungen zueinander kodiert sind. Lernen evoziert in den Zellen ein spezifisches Muster elektrischer Aktivität, welches das Antwortverhalten auf eingehende Signale, die Expression von Genen und die Morphologie der Zelle über den Lernvorgang hinaus beeinflusst.
"All diese Veränderungen bilden sozusagen das zelluläre Korrelat unserer Vorstellung des Gedächtnisengramms", sagt Friedrich Johenning, Wissenschafter am Neurowissenschaftlichen Forschungszentrum und einer der beiden Erstautoren der Studie. "Wir beschäftigen uns damit, physiologische Mechanismen zu identifizieren, durch die eine Nervenzelle ihr Antwortverhalten langfristig ändern kann", fügt die gleichberechtigte Erstautorin Anne-Kathrin Theis hinzu.
Langfristige Veränderungen
Die Wissenschafter zeigen in ihrer Studie, dass rückwärts in den Dendritenbaum wandernde Aktionspotentiale langfristige Veränderungen in der Calciumantwort von Spines bewirken. Spines, oder Dornfortsätze, sind kleine, für die Kommunikation zwischen Nervenzellen wichtige Fortsätze der Nervenfasern. Trifft ein rückwärts wanderndes Aktionspotential auf einen solchen Spine, verändert sich kurzfristig die Calciumkonzentration innerhalb des Spines, da Calciumionen durch sich öffnende Ionenkanäle von außen hineinströmen.
Zusätzlich wird ein intrazellulärer Rezeptor aktiviert, der Ryanodin-Rezeptor, der die Freisetzung von in der Zelle gespeichertem Calcium auslöst. Dies führt zu einer langfristigen Veränderung der durch elektrische Impulse hervorgerufenen Calciumantwort im Inneren des Spines. Bemerkenswert ist, dass diese Veränderungen lokal auf einzelne Spines begrenzt sind und benachbarte Fortsätze nicht beeinflusst werden. In Zukunft wollen die Forscher herausfinden, welchen Einfluss diese Spine-spezifischen, langfristig veränderten Calciumantworten auf die synaptische Kommunikation zwischen Nervenzellen haben.
(red.)
Abstract
PloS Biology: "Ryanodine Receptor Activation Induces Long-Term Plasticity of Spine Calcium Dynamics."
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