Die Macht des Feuers
Das beherrschte Feuer in der Entwicklung des Menschen
Erst das Feuer hat uns Menschen zu dem gemacht, was wir heute sind: Es lieferte unseren Vorfahren gegarte Nahrung, Licht in der Nacht, Wärme und Schutz vor wilden Tieren. Außerdem diente das gemeinsame Feuer als Versammlungsort und damit wichtiges soziales Zentrum.
Es verwundert nicht, dass das daher Feuer in den Mythologien vergangener Zeiten einen hohen Stellenwert einnahm. Auch heute noch sind viele dieser Symbole erhalten. Die Methoden, das Feuer zu zähmen, haben sich mit der Zeit geändert – an Bedeutung hat es jedoch nicht verloren.
Inhalt:
- Die ersten Flammen
Seit wann beherrscht der Mensch das Feuer? - Auf heißer Flamme gegart
Gekochte Nahrung: Energieschub für das menschliche Gehirn - Mehr als nur eine Kochstelle
Weitere Entwicklungsvorteile durch das Feuer - Lagerfeuer als Versammlungsort
Starthilfe für Kultur und Sozialverhalten - Brennt wie Zunder
Wie entzündet man ein Feuer? - Götterfunken
Feuer in der Mythologie
von Ansgar Kretschmer
Stand 23.01.2015
Die ersten Flammen
Wann im Laufe seiner Entwicklungsgeschichte der Mensch sich das Feuer zuerst zunutze machte, ist umstritten. Ein eindeutiger Nachweis ist schwierig: An vielen Fundorten liegen zwar verkohlte Holz- und Knochenreste zusammen mit frühmenschlichen Steinwerkzeugen. Allerdings lässt sich nur schwer feststellen, ob das Feuer vom Menschen entfacht und genutzt wurde, oder ob ein natürlich entstandenes Feuer die urzeitlichen Bewohner der Fundstelle überraschte.
Höhleneingang der Wonderwerk-Höhle
Zufallsfund im Sediment
Die ältesten heute bekannten Spuren dieser Art stammen aus Südafrika: In der dortigen Wonderwerk-Höhle fanden Archäologen im Jahr 2012 Spuren von verbrannten Knochen und Pflanzenteilen, die sie auf ein Alter von rund einer Million Jahren datieren. Dabei kam ihnen wie so oft in der Wissenschaft der Zufall zu Hilfe: Eigentlich wollten die Forscher um Michael Chazan von der University of Toronto das Alter der Sedimente in der Höhle bestimmen. Zu ihrer großen Überraschung fanden darin sie Asche, verkohlte Pflanzenteile und verbrannte Knochenreste.
Die gefundene Feuerstelle befindet sich etwa 30 Meter tief in der Höhle. Daher nehmen die Wissenschaftler an, dass die Überreste nicht durch natürliche Ursachen wie ein Buschfeuer entstanden und vom Wind in die Höhle getrieben worden sein können. Die Dicke der gefunden Ascheschichten spricht außerdem für wiederholte Feuer an derselben Stelle. Aus der Struktur der Asche und anderer Ablagerungen schließen die Forscher, dass das Feuer in der Höhle selbst angezündet wurde.
Selbst entzündet oder eingesammelt?
Die Forscher können jedoch nicht mit Sicherheit sagen, ob die dort lebenden Frühmenschen das Feuer lediglich nutzten, oder ob sie es selbst entfachen und kontrollieren konnten. Es ist durchaus möglich, dass gegrilltes Essen nur ein gelegentlicher Luxus war, nachdem Flammen von einem Buschfeuer "eingesammelt" und in der Höhle genährt wurden.
Das Feuer in Gang zu halten, beherrschten die Höhlenmenschen jedoch. Als Brennmaterial verwendeten sie aber noch kein Holz, denn Spuren von Holzkohle fehlen am Fundort völlig. Verbrannt wurden stattdessen wahrscheinlich Blätter, Zweige oder trockenes Gras. Dafür sprechen auch spektroskopische Untersuchungen der verbrannten Knochenreste: Sie deuten darauf hin, dass das Feuer etwa 500 Grad Celsius heiß war. Ein Holzfeuer erreicht jedoch schnell deutlich heißere Temperaturen.
Rekonstruktion von Homo erectus
Frühe Feuer – noch früher als bisher gedacht
Der Fund in der Wonderwerk-Höhle verschob einige Annahmen, ab wann unsere Vorfahren sich das Feuer zu Nutze machten. Frühere gesicherte Fundstellen sind lediglich etwa 400.000 Jahre alt. Ein Fundort in Israel kommt bis auf 700.000 Jahre – diese Stelle ist jedoch umstritten. Aufgrund der offenen Lage in freier Ebene könnten die dortigen Feuerstellen auch von einem Waldbrand oder Buschfeuer stammen.
Diese früher bekannten Fundorte fallen in die Zeit der Neandertaler oder anderen frühen Formen des Homo sapiens. Die Feuerstellen in Südafrika dagegen stammen vom Homo erectus – gefundene Steinwerkzeuge mit typischen Merkmalen untermauern dies. Dieser Frühmensch war bereits vor etwa 1,8 Millionen Jahren aktiv. Manche Wissenschaftler vertreten darum die Position, das Feuer könnte bereits viel früher gezähmt worden sein, als die Wonderwerk-Höhle verrät. Bis jetzt sind keine Spuren entdeckt worden, die das bestätigen könnten – auszuschließen ist es jedoch ebenfalls nicht.
Auf heißer Flamme gegart
Gekochte Nahrung: Energieschub für das menschliche Gehirn
Charles Darwin bezeichnete die Fähigkeit, Feuer zu machen, neben der Entwicklung der Sprache als die größte Errungenschaft des Menschen. Mehrere moderne Erfindungen hätten sicherlich auch Anspruch auf einen recht hohen Platz in der Liste der bedeutenden menschlichen Erfindungen. Das Feuer spielte in der Entwicklung der frühen Menschen aber tatsächlich eine wichtige, möglicherweise alles entscheidende Rolle.
Über dem Feuer gegartes Essen brachte den Menschen entscheidende Vorteile.
Der Knackpunkt: Gegarte Nahrung ist leichter verdaulich. Die Verdauungsorgane müssen einerseits nicht so viel Arbeit leisten, um die Nährstoffe darin zu erschließen. Andererseits gewinnt der Körper mehr Kalorien und damit mehr Energie daraus – insgesamt also ein gewaltiger Energiegewinn.
20 Prozent Energiebedarf bei zwei Prozent Gewicht
Einer Theorie des US-Forschers Richard Wrangham zufolge ermöglichte erst diese eingesparte Energie dem Menschen schließlich, was ihn bis heute von den übrigen Tieren unterscheidet: das leistungsfähige Gehirn. Etwa ein Fünftel des täglichen Energiebedarfs nimmt unser Denkorgan für sich in Anspruch – dabei macht es gerademal zwei Prozent des Körpergewichts aus.
Dass diese nötigen Energiemengen allein mit roher Nahrung kaum zu decken sind, verdeutlicht ein Vergleich mit der Ernährung der großen Menschenaffen: Ein Gorilla verbringt bereits 80 Prozent des Tages mit Fressen. Um ein vergleichbar großes Gehirn wie der Mensch zu versorgen, müsste er noch rund zwei Stunden länger pro Tag mit der Nahrungsaufnahme verbringen, haben Karina Fonseca-Azevedo von der Universidade Federal do Rio de Janeiro und ihre Kollegen ausgerechnet.
Gegrilltes Fleisch liefert mehr Energie und ist leichter verdaulich.
Mehr Zeit für andere Dinge
Hätte der vor rund einer Million Jahren lebende Homo erectus sich ähnlich ernährt wie die heutigen Menschenaffen, hätte auch er mindestens neun Stunden täglich für die Nahrungssuche benötigt, wie die Forscherinnen ermittelten. Für andere Tätigkeiten wie das Werkzeugmachen oder soziale Kontakte wäre dann kaum mehr Zeit übrig geblieben.
Hinzu kommt, dass manche Pflanzen erst nach dem Kochen genießbar sind. Unverträgliche oder unverdauliche Bestandteile werden beim Garen aufgeschlossen oder abgebaut. Außerdem tötet die Hitze viele Bakterien oder Parasiten. Essen, das andernfalls krank machen würde, stellt so noch eine brauchbare Nahrungsquelle dar. Das Kochen, Braten oder Grillen hat also das Nahrungsangebot für die Frühmenschen stark erweitert und ihnen so ebenfalls Entwicklungsvorteile verschafft.
Wranghams Theorie hat allerdings einen Haken: Sie lässt sich mit bisherigen archäologischen Funden noch nicht zweifelsfrei bestätigen. Der Homo erectus tauchte bereits vor fast zwei Millionen Jahren auf. Die ältesten bekannten Hinweise auf menschlich genutzte Feuerstellen sind lediglich etwas mehr als eine Million Jahre alt – zu jung, um dem Homo erectus seine geistigen Fähigkeiten verliehen zu haben. Die Frage läuft also auf ein Henne-Ei-Problem hinaus: Haben die Menschen mit ihrem hochentwickelten Gehirn gelernt, das Feuer zu nutzen, oder hat erst das Feuer dem Gehirn den entscheidenden Zündfunken geliefert?
Mehr als nur eine Kochstelle
Weitere Entwicklungsvorteile durch das Feuer
"Die Beherrschung des Feuers war ein entscheidender Wendepunkt in der Evolution des Menschen", sagt Michael Chazan von der University of Toronto, einer der Entdecker der ältesten menschlichen Feuerspuren in der südafrikanischen Wonderwerk-Höhle. "Denn dieser Schritt berührte alle Elemente der menschlichen Gesellschaft."
Feuer als Jagdwaffe
Schließlich war das Feuer nicht nur nützlich, um Nahrung zu kochen – es half auch dabei, Nahrung zu erlegen. Wie gezielt unsere Vorfahren das Feuer tatsächlich als Jagdwaffe einsetzten, ist allerdings umstritten. Australische Ureinwohner beispielsweise legten schon vor über 2.000 Jahren Brände, um Tierherden zusammenzutreiben und zu erlegen. Neuere Untersuchungen zeigen, dass diese regelmäßigen Flächenbrände sogar von großer Bedeutung für die dortigen Ökosysteme sind, ähnlich wie die häufigen Buschbrände in Australien.
Ein Feuer brachte Wärme und Schutz vor Raubtieren.
Die Treibjagden der Neandertaler auf Mammuts, bei denen ganze Herden mit Hilfe von Fackeln über eine Klippe getrieben worden sein sollen, hat es dagegen wahrscheinlich nicht gegeben - oder zumindest nur in Ausnahmefällen. Untersuchungen verbrannter Tierknochen aus Siedlungen dieser Frühmenschen haben gezeigt, dass Mammuts nur gelegentlich auf deren Speiseplan standen.
Noch nicht an der Spitze der Nahrungskette
Zweifellos genossen die frühen Menschen aber den Schutz vor Raubtieren, den ihnen ein brennendes Feuer gewährte. Diesen Schutz hatten sie wahrscheinlich bitter nötig. Untersuchungen zufolge hielten Frühmenschen wie Homo habilis vor etwa zwei Millionen Jahren keinesfalls eine unangefochtene Position an der Spitze der Nahrungskette inne. Im Gegenteil: Verschiedene Arten prähistorischer und mittlerweile ausgestorbener Raubkatzen ernährten sich möglicherweise gewohnheitsmäßig von frühen Menschen. Darauf deuten Isotopenanalysen vom fossilen Zahnschmelz solcher Katzen hin.
Mit dem Schutz durch das Feuer entfiel die zwingende Notwendigkeit eines sicheren Unterschlupfs und längere Wanderungen waren möglich. Manche Wissenschaftler sind der Ansicht, erst die Sicherheit des Feuers erlaubte es den affenähnlichen Vorfahren des Menschen, die Lebensweise in den Bäumen gegen das weitaus gefährlichere Leben am Boden einzutauschen. Dies wiederum war Voraussetzung für den aufrechten Gang und schließlich die Ausbreitung des Menschen von Afrika über die ganze Welt.
Feuer dient als wichtige Lichtquelle.
Licht und Wärme
Im Feuerschein ließen sich außerdem noch viele Dinge erledigen, die zuvor im Dunkel der Nacht nicht möglich waren: Werkzeuge herstellen oder Felle bearbeiten etwa. Das Feuer erweiterte also nicht nur den räumlichen Aktionsradius des Menschen, sondern auch die Zeitspanne seiner Aktivität während eines Tages – ebenfalls ein riesiger Vorteil im Kampf ums Überleben.
Feuer spendete zudem Wärme, wann immer diese nötig war. Dadurch waren die Menschen schließlich nicht mehr auf schützende Körperbehaarung angewiesen. Ohne eigenes dichtes Fell waren wiederum wesentlich höhere körperliche Anstrengungen möglich, ohne dass der Körper überhitzte. Auch dies gilt als wichtiger Schritt auf dem Weg zum aufrechten Gang des Menschen. Vor allem aber bei der Ausdauer-Jagd auf schnelle Beutetiere gewannen die Menschen große Vorteile.
Lagerfeuer als Versammlungsort
Starthilfe für Kultur und Sozialverhalten
Nicht nur technologisch, auch kulturell leistete die Herrschaft über das Feuer einen entscheidenden Beitrag in der menschlichen Entwicklungsgeschichte. So gelten Lagerfeuer auch heute noch traditionell als Versammlungsort. Für die frühen Menschen war die Gemeinschaft um ein zentrales Feuer wahrscheinlich ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur Entwicklung komplexer sozialer Strukturen.
Die Buschleute in der Kalahari leben noch als Jäger und Sammler
Gemütliche Runde ums Lagerfeuer
Heutige wissenschaftliche Untersuchungen stützen diese Annahme: Einige Buschleute der Kalahari in Botswana und Namibia leben heute noch als Jäger und Sammler in kleinen Gemeinschaften. Das Feuer spielt bei ihnen eine buchstäblich zentrale Rolle: Abends versammeln sie sich meist in Gruppen von etwa 15 Leuten um ein Lagerfeuer zur gemütlichen Runde.
Den Inhalt der Gespräche im flackernden Feuerschein hat Polly Wiessner von der University of Utah aufgezeichnet und mit Gesprächen der Buschleute während ihres Arbeitsalltages verglichen. Dabei stellte die Forscherin einen großen Unterschied zwischen Tagesgeschehen und abendlicher Gesellschaft fest: Tagsüber drehten sich drei Viertel der Gespräche um Themen der Nahrungsbeschaffung und um andere ökonomische Aspekte des Lebens der Buschleute.
Kaminfeuer gelten als Inbegriff für romantisches Beisammensein.
Feuerschein schafft Intimität
Ganz anders dagegen die Gespräche im abendlichen Feuerschein der Lagerfeuer: Sie entfernten sich von den Sorgen des Alltags. Die meiste Zeit wurden Geschichten erzählt, gesungen, getanzt und man sprach über weit entfernt lebende Gruppen von Buschleuten. Außerdem waren gesellschaftliche Normen und Bräuche häufige Themen. "Die Atmosphäre eines Feuers in der Dunkelheit verbindet, besänftigt und stimuliert Menschen", sagt Wiessner. "Der Feuerschein schafft offenbar Intimität." Das ist auch heute noch so: Kaminfeuer und Kerzenlicht gelten als Inbegriffe für romantisches Beisammensein.
Wie auch bei den Buschleuten erlaubte demnach der nächtliche Feuerschein den frühen Jäger- und Sammlergesellschaften, entspannte Sozialkontakte zu pflegen, ohne dass dies zu Lasten des Nahrungserwerbs ging. Das könnte eine der Voraussetzungen für kulturelle und soziale Entwicklungen sein.
Brennt wie Zunder
Wie entzündet man ein Feuer?
Wahrscheinlich erkannten die Menschen den Nutzen des Feuers lange, bevor sie es selbst kontrollieren konnten. Sie entdeckten vermutlich nach einem Flächenbrand, etwa durch Blitzeinschläge oder Vulkanausbrüche, dass das Fleisch von im Feuer umgekommenen Tieren essbar war und noch dazu besser schmeckte und sich leichter verdauen ließ. Auch von heutigen Raubtieren ist bekannt, dass sie nach Waldbränden die Umgebung nach verbrannten Kadavern absuchen.
Feuerstein, Stahl und Zundermaterial
Zu Anfang waren unsere Vorfahren wohl noch auf solche mehr oder weniger zufälligen Naturkatastrophen angewiesen. So konnten sie einen Waldbrand als Feuerquelle nutzen und ein Feuer erhalten und in einer Feuerstelle eindämmen, aber sie konnten es vermutlich noch nicht selbst entzünden. Steinwerkzeuge wie Faustkeile waren den damaligen Menschen dagegen schon rund eine Million Jahre lang bekannt.
Erste Zündfunken
Weit verbreitet ist die Vorstellung, bei der Arbeit mit solchen Werkzeugen oder bei deren Produktion aus Feuerstein sei der zündende Funke des ersten Feuers geflogen. Mit Feuerstein oder Flint Feuer zu schlagen, gelingt jedoch nicht so ohne weiteres – man benötigt dazu auch ein passendes Partnermaterial wie etwa Stahl oder Pyrit. Nur daraus löst sich beim Schlagen entlang eines Feuersteins ein ausreichend heißer und langlebiger Funke.
Es ist wahrscheinlicher, dass die frühen Menschen zunächst Reibungshitze verwendeten, um ein Feuer zu entzünden. Zwei Holzstücke fest aneinander zu pressen und gegeneinander zu reiben, reicht aber allein noch nicht aus. Eine vielversprechende Technik besteht darin, die Spitze eines harten Stockes ähnlich wie einen Pflug wieder und wieder durch eine Furche in einem breiteren Holzstück zu reiben. Komplizierter, aber auch schneller und zuverlässiger ist dagegen der "Feuerbohrer": Ein Stab wird gegen ein weiteres Holzstück gedrückt und mit einem gespannten Bogen gedreht. Die entstehende Hitze reicht schließlich aus, um den Zunder zum Brennen zu bringen.
Auch moderne Feuerzeuge basieren noch auf uralten Prinzipien.
Ötzis Feuerzeug
Feuerstein und Pyrit fanden erst später Verbreitung, waren aber spätestens in der Steinzeit bekannt: Der Eismensch „Ötzi“ hatte vor 5.300 Jahren ein Stück Flint dabei. Auch das Zundermaterial hatte sich bis dahin weiterentwickelt. Ötzi verwendete einen getrockneten Baumpilz, den sogenannten Zunderschwamm. Daran fanden Wissenschaftler auch feine Partikel von Pyrit, den der Eismensch allerdings nicht in seinem Gepäck hatte, als man ihn fand. Ein Feuer wieder anzufachen geht deutlich schneller, als mit Feuerstein ein neues zu entzünden. Darum besaß Ötzi außerdem einen Behälter aus Baumrinde, in dem er die Glut eines Feuers aufbewahren und transportieren konnte.
Erst im frühen Mittelalter löste schließlich Stahl den Pyrit als Funkenschläger ab. Bis ins 18. Jahrhundert blieben Feuerstein und Stahl das Mittel der Wahl, um ein Feuer anzuzünden. Streng genommen ist das immer noch so, zumindest das Prinzip ist noch dasselbe: Auch moderne Feuerzeuge lösen Funken durch einen kurzen heftigen Schlag auf ein passendes Material. Feuerzeugbenzin und Flüssiggas haben allerdings inzwischen den Zunder abgelöst.
Feuerpumpe in Aktion
Heute wenig bekannt ist die "Feuerpumpe" – im 19. Jahrhundert war dieses "pneumatische Feuerzeug" jedoch weit verbreitet. Es funktioniert nach demselben Prinzip wie ein Dieselmotor: Stark verdichtete Gase erhitzen sich. Die Feuerpumpe besteht aus einer luftdicht verschlossenen Röhre und einem Stempel, der auch ein Stück Zundermaterial an seinem Ende trägt. Presst man mit dem Stempel die Luft in der Röhre schnell und stark zusammen, entzündet sich dieses Material.
Explosiv: Die ersten Zündholzer
Ebenfalls im 19. Jahrhundert kamen Zündhölzer auf. Die 1805 erfundenen Tunkhölzer funktionierten noch rein chemisch. Ein mit Kaliumchlorat, Schwefel, Zucker und Gummi beschichtetes Hölzchen musste zum Zünden in ein Fläschchen mit Schwefelsäure getaucht werden. Das war nicht ganz ungefährlich: Oft kam es zu weitreichenden Säurespritzern, wenn ein Hölzchen explosionsartig zündete. Außerdem waren diese Hölzer teuer zu produzieren.
Günstiger und damit häufiger wurden erst die sogenannten Reibungszündhölzer oder Streichhölzer, die der englische Chemiker John Walker im Jahr 1826 erfand. Viel sicherer waren sie allerdings noch nicht. Statt der Schwefelsäure benötigte man lediglich ein Stück Sandpapier oder eine andere ausreichend raue Fläche, um solche Zündhölzer anzureißen, aber sie spuckten Rauch und Funken und waren oft unberechenbar. In Deutschland waren sie deshalb zunächst verboten. Wirklich massentauglich waren nach zahlreichen Weiterentwicklungen erst die ab den 1850er Jahren hergestellten Sicherheits-Zündhölzer.
Götterfunken
Feuer in der Mythologie
Wie wichtig das Feuer seit den Anfängen der Menschheitsgeschichte ist, ist in Mythologien auf der ganzen Welt erkennbar. Unzählbare Legenden berichten, wie der Mensch Zugang zum Feuer erlangte. Auffällig dabei ist ein wiederkehrendes Thema: Oft ist es ein besonders listiger oder wagemutiger Held, der das Feuer stiehlt und den Menschen bringt.
Die Legende vom Feuerdiebstahl
Beispielhaft dafür ist vor allem der altgriechische Mythos um den Titanen Prometheus. Nachdem er zunächst die Menschen erschaffen hat, bringt Zeus, der oberste der Götter, das Feuer aus deren Reichweite. Prometheus jedoch entzündet einen Pflanzenstängel am Sonnenwagen und bringt es zu den Menschen. Angeblich verwendete er für den Transport den Stängel des wilden Fenchels – dessen Mark wurde im Mittelmeerraum lange als Zunder verwendet, ein naheliegender Träger für das Feuer also.
Der Ätna, mythische Werkstätte des Gottes Vulkanus
Ähnliche Legenden finden sich rund um die Welt, bei Ureinwohnern von Polynesien bis Amerika. Oft sind es den Menschen wohlgesonnene Tiergeister, die das Feuer stehlen. Die Legende vom Feuerdiebstahl deutet auf die Anfänge der Nutzung des Feuers durch den Menschen hin. Anstatt es selbst entzünden zu können, mussten die Flammen noch den Naturgewalten wie Waldbränden oder Vulkanen entrissen werden.
Von Geburtstagskerze bis Grablicht
Dementsprechend wichtig waren solche Orte für die Mythologien: Die Werkstatt des römischen Schmiedegottes Vulkanus, dem Namensgeber aller Vulkane, sollte sich im Herzen des Ätna auf Sizilien befinden. Amerikanische Ureinwohner verehrten die Vulkane der Kaskadenkette wie den Mount Rainier oder den Mount St. Helens als Gottheiten – viele davon launisch und mit aufbrausendem Charakter. So sollten die heute als Mount Hood und Mount Adams bekannten Vulkane sich in ständigem Streit um ein wunderschönes Mädchen, den Mount St. Helens, befinden.
Das lebensnotwendige Feuer war besonders verehrungswürdig. Das nährende Herdfeuer im Tempel der römischen Göttin Vesta durfte niemals verlöschen. Und noch heute findet sich die Symbolik vom Feuer als Lebensspender an vielen Stellen. "Ewige Lichter" stehen für ewiges Leben oder dauerhafte Erinnerung, in Grablichtern auf Friedhöfen oder an historischen Gedenkstätten wie dem Friedensdenkmal in Hiroshima oder dem Denkmal für die Opfer der NS-Gewaltherrschaft in München. Einige der höchsten Feiertage feiern wir traditionell mit Freudenfeuern oder Feuerwerk: Ostern, die Sonnenwenden und den Anfang des neuen Jahres. Brennende Kerzen gehören für viele Menschen auf jeden Geburtstagskuchen, um die Lebensjahre darzustellen.
Ewiges Licht: Die Friedensflamme in Hiroshima bei Nacht
Weltenbrand und Wiedergeburt
Aber auch die vernichtende Natur der Flammen ist ein wiederkehrendes Motiv. Höllenfeuer und ein brennender Weltuntergang sind wichtige Elemente christlicher Überlieferung. Die Vorstellung, dass die Welt im Feuer untergeht, taucht auch in der nordischen Mythologie auf: Der Feuergott Loki wechselt im Verlauf der Geschichte die Seiten und wird zum Verräter, ähnlich tückisch wie das wechselhafte Feuer. Am Ende ist es aber der Feuerriese Surt, der den Weltenbrand entfachen und die ganze Erde verbrennen wird. Doch auch die Asche bringt neues Leben hervor: Der mythische Vogel Phönix verbrennt sich selbst am Ende seines Lebens und wird neu geboren.
Für die frühen griechischen Philosophen im ersten Jahrtausend vor Christus war das Feuer so wichtig, dass sie es zu einem der Grundbausteine der gesamten Schöpfung erklärten. Feuer, Wasser, Erde und Luft sollten demnach die Elemente sein, aus denen alles bestand. Diese Vier-Elemente-Lehre hielt sich in Europa, mit einigen Abwandlungen im Laufe der Zeit, noch bis ins 17. Jahrhundert. Die Erklärung schien oft offensichtlich: Holz bestand demnach eindeutig aus Feuer und Erde. Zündete man es an und lockte das Feuer heraus, so blieb Erde in Form von Asche übrig. Erst die Alchimisten und deren Nachfolger, die Chemiker, prägten schließlich den Begriff des chemischen Elements, wie wir ihn heute kennen.
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