Ribera, St. Peter
aus Süddeutsche.de,
Moderner Glaube
Warum Religion gut tut
von Matthias Drobinski
...sagen die Therapeuten, Mediziner, Hirn- und Sozialforscher: Glauben tut gut. Wer fromm ist, lebt gesünder, wiegt weniger und hat einen niedrigeren Cholesterinspiegel als der Ungläubige, und außerdem ein stabileres Immunsystem. Er muss seltener ins Krankenhaus, und wenn, ist er schneller wieder draußen. Er ist häufiger zufrieden mit seinem Leben, lebt in stabileren Beziehungen, hat mehr Freunde und Bekannte als der, dem der liebe Gott egal ist. Er ist mit größerer Wahrscheinlichkeit Vereinsmitglied und sozial engagiert und mit geringerer Wahrscheinlichkeit ein Neonazi. Mehr als 1200 Studien soll es mittlerweile geben, die dies alles bestätigen, und auch Tilmann Moser hat seine These von der Gottesvergiftung relativiert: Eine reife Religiosität hilft im Leben, und sei es als Krückstock, auf den man sich stützen kann, wenn der Gang durchs Leben schwer fällt. ...
Religion hilft. Das ist schön, das ist gut und wird zu selten gesagt im Zeitalter der Kirchenskandale. Aber das reicht nicht, und je länger man darüber nachdenkt, desto größer wird das Unbehagen. Beten und Meditieren hilft dem Immunsystem - so wie rechtsdrehender Joghurt der Darmflora oder Krankengymnastik dem lädierten Knie? Der Kirchgang am Sonntagmorgen dient dem Wohlbefinden wie Schwimmen und Sauna am Samstagnachmittag?
Der Glaube als Teil der Wellness- und Fitness-Bewegung, das ist eine gruselige Vorstellung. Religion wird zum Zweck, zur spirituellen Badewanne. Und wem es hinterher nicht besser geht, wer immer noch Fragen hat, wem der Zweifel ein hartnäckiger Begleiter bleibt- der hat was falsch gemacht, hat die geforderte Leistung nicht erbracht. Wer nicht geheilt von dannen geht, wer weiterhin Sorgen hat und ratlos vor seinem Leben steht, hat nicht richtig geglaubt. Hinter dieser Vorstellung steht die religiös gewordene Drohung der Positive-Thinking-Ideologie: Sieh es positiv - oder stirb.
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