vor Verdun
aus scinexx Stress macht uneigennütziger
Gestresste Menschen handeln häufiger selbstlos als ungestresste
Stress ist eine der prägenden Folgen der modernen Gesellschaft. Überforderung, Zeitdruck und ständige Informations-Überflutung sorgen dafür, dass viele Menschen kaum mehr zur Ruhe kommen. Doch das hat Folgen: Stress macht vergesslich, sabotiert unsere Selbstkontrolle und beeinträchtigt unsere Sinneswahrnehmung. Außerdem fördert ständiger Stress langfristig Übergewicht und kann ähnliche Gesundheitsfolgen verursachen wie ungesundes Essen.
Aber wie sich jetzt zeigt, kann akuter Stress auch positive Effekte haben: Er kann die Neigung zu selbstlosem, hilfsbereitem Verhalten verstärken, wie Nina Singer von der Universität Regensburg und ihre Kollegen herausgefunden haben.
Helfen oder nicht?
Für ihre Studie setzten sie einen Teil ihrer 50 Probanden zunächst
starkem Stress aus: Sie mussten spontan eine Präsentation vor
unbekannten Bewertern halten, anschließend gab es eine Runde
Kopfrechnen. Erst dann folgte das eigentliche Experiment: Gestresste und
nichtgestresste Teilnehmer versetzten sich in 28 verschiedenen
Alltagssituationen hinein, in denen sie sich jeweils zwischen
egoistischem oder altruistischem Verhalten entscheiden sollten.
Ein Beispiel: Man eilt nach der Arbeit zum Bus, der gerade abfahren will. Ein älterer Herr lässt direkt vor einem versehentlich seine Einkaufstasche fallen und alles purzelt auf den Gehsteig. Was macht man? Hilft man dem Mann beim Einsammeln und verpasst dadurch den Bus? Oder ignoriert man den Mann und sein Problem und erwischt dadurch den Bus gerade noch?
Die Forscher werteten aus, wie sich die Probanden in diesen moralischen Dilemmata entschieden und ermittelten zusätzlich das Stressniveau über den Gehalt der Stresshormone im Speichel.
Selbstlosere Entscheidungen
Das überraschende Ergebnis: Akuter Stress wirkt sich auf moralische
Alltags-Entscheidungen anders aus als man denkt. Denn die gestressten
Teilnehmer handelten nicht etwa egoistischer, sondern sogar
uneigennütziger als ihre nichtgestressten Mitprobanden. Sie entschieden
sich deutlich häufiger für das selbstlose Handeln – selbst wenn dies zu
ihrem Nachteil war, wie Singer und ihre Kollegen berichten.
Und nicht nur das: Trotz oder gerade wegen des Stresses sorgten die selbstlosen Entscheidungen für eine bessere Stimmung bei den Probanden. Sie erlebten mehr positive Emotionen als ihre nichtgestressten Mitstreiter in der gleichen Situation, wie psychologische Befragungen ergaben. Die gestressten Teilnehmer waren zudem auch im Nachhinein noch sicherer, die richtige Entscheidung getroffen zu haben.
Biologischer Sinn noch unklar
"Im alltäglichen Leben müssen wir oft unter Stress moralische
Entscheidungen treffen", sagen Singer und ihre Kollegen. Diese
Ergebnisse zeigen, dass sich dies keineswegs immer nur negativ auswirken
muss. Stattdessen kann akuter Stress sogar dazu beitragen, jemanden
sozialer und uneigennütziger handeln zu lassen.
Warum das so ist und ob der erhöhte Spiegel des Stresshormons Cortison dabei eine ursächliche Rolle spielt, müssen nun weitere Untersuchungen zeigen. (Hormones and Behavior, 2017; doi: 10.1016/j.yhbeh.2017.05.002)
(Universität Regensburg, 24.07.2017 - NPO)
Nota. - Mein schlichter Laienverstand mutmaßt, das Syndrom 'Stress' stamme aus den frühesten Zeiten unserer Gattungsgeschichte, und da wird es eher ein Gruppenerlebnis als eine Privatlaune gewesen sein. So läge es nahe, dass "die Evolution" gleich noch eine Dosis Kooperationsbereitschaft hinzugetan hat.
JE
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