Montag, 17. Juli 2017

Raben können in die Zukunft planen.

Rabenschlau. Die Experimente mit den Vögeln helfen die Evolution der Intelligenz zu verstehen. 
aus Tagesspiegel.de,

Raben planen für die Zukunft
Vorausschauendes Denken gilt als typisch menschliche Fähigkeit. Jetzt beweisen Verhaltensforscher: Vögel können das auch.
 
von
 
Ist es der Schraubverschluss einer Pfandflasche, das Holzstäbchen, der Strohhalm oder doch das Stück Baumrinde? Der Kolkrabe beäugt genau, was ihm die Verhaltensforscher Can Kabadayi und Mathias Osvath von der Universität Lund in Schweden im Rahmen eines Experiments anbieten. Sie wollen herausfinden, ob der Vogel vorausschauend denken kann. Seit Wochen haben sie dem Tier beigebracht, dass es für einen der Gegenstände am nächsten Tag ein leckeres Stück Hundefutter bekommt. Was für Menschen und Menschenaffen eine ziemlich leicht zu treffende Entscheidung ist, weil vorausschauendes Denken zum Standardrepertoire ihrer Gehirne gehört, haben Forscher Vögeln oder anderen Tieren bislang nicht zugetraut. Doch überraschenderweise muss der Kolkrabe nicht lange überlegen und greift sich den Flaschendeckel – wissend, dass es nur dafür am nächsten Morgen ein Leckerli geben wird.

„Dieses Experiment ist ein wichtiger Schritt, die Evolution der Intelligenz zu verstehen“, kommentiert der Verhaltensforscher Markus Böckle von der Universität Cambridge in Großbritannien die im Fachblatt „Science“ veröffentlichte Arbeit der schwedischen Kollegen.

Dass nun auch bei Kolkraben vorausschauendes Denken nachgewiesen ist, bedeutet aber nicht, dass schon der letzte gemeinsame Vorfahr von Vögeln und Menschenaffen, der vor über 300 Millionen Jahren gelebt haben dürfte, diese Fähigkeit besaß. Offenbar hat sich das intelligente Verhalten im Verlauf der Evolution der Vögel eigenständig entwickelt.

Rabenvögel gelten schon lange als clever

Rabenvögel gelten schon lange als besonders clever. So werfen mitteleuropäische Nebelkrähen gern Nüsse auf Straßen. Rollt ein Auto darüber, wird die Schale geknackt und die Krähe kommt an den Kern. „Neukaledonische Krähen stochern mit kleinen Ästchen nach Larven, die im Holz leben und stellen sich solche Werkzeuge sogar gezielt her“, sagt Böckle, der das Verhalten der Südsee-Krähen untersucht.

Die Experimente von Kabadayi und Osvath offenbaren nun das vorausschauende Denken der schwarzen Vögel. Dabei gibt ein kleiner Apparat einen Leckerbissen in Form von Hundefutter erst heraus, wenn ein Stein von oben in eine Öffnung geworfen wird. Die Kolkraben meistern diese Aufgabe mit Bravour. Danach dürfen die Tiere beobachten, dass der Apparat sich mit verschiedenen anderen Gegenständen nicht öffnen lässt. Am nächsten Tag sitzen die Kolkraben ohne Stein vor dem Apparat und kommen an ihren Leckerbissen nicht heran. Anschließend entfernen die Forscher das Gerät, lassen die Vögel eine Stunde warten und bieten den anscheinend frustrierten Tieren an einem anderen Ort vier verschiedene Gegenstände an. Auch wenn der Apparat mit dem Leckerbissen gar nicht da ist, nehmen die Kolkraben zielstrebig den Stein, der in die Öffnung passt. Eine Viertelstunde später stellen die Forscher das Gerät wieder an seinen Platz und die Vögel kommen mithilfe des Steins endlich an den Leckerbissen heran.

Die Vögel entscheiden sich für das, das langfristig mehr bringt

Im nächsten Teil des Experiments lernen die Kolkraben, dass sie für einen Flaschenverschluss ein Stück Hundefutter eintauschen können, das sie als ganz besonderen Leckerbissen sehr schätzen. In der Abschlussprüfung müssen sich die Tiere dann zwischen einem eigentlich begehrten Futter, das sie sofort schlucken können, und einem Stein oder einem Flaschendeckel entscheiden, mit dem sie sich später das noch begehrtere Hundefutter selbst aus dem Apparat holen oder es eintauschen können.

Die meisten Tiere ließen das direkt verfügbare Futter liegen und schnappten sich den nicht fressbaren Gegenstand, der ihnen später einen noch besseren Leckerbissen bescherte. Ein überzeugender Beweis für die vorausplanende Intelligenz der Kolkraben. 


Kolkraben können vorausschauend handeln und für die Zukunft planen.
aus scinexx

Auch Raben können vorausschauend planen
Schlaue Vögel schneiden in Tests sogar besser als als vierjährige Kinder
 
Raben beherrschen eine weitere "typisch menschliche" Fähigkeit: Sie können vorausplanen – und dies sogar in für sie ungewohnten Situationen. Im Experiment verschmähten sie ein Leckerli zugunsten eines Werkzeugs oder einer Wertmarke, obwohl diese erst mit Zeitverzögerung nützlich und futterbringend waren. Dieses vorausschauende Handeln hat man bisher nur bei Menschen und Menschenaffen beobachtet, wie die Forscher im Fachmagazin "Science" berichten.

Lange Zeit glaubte man, dass nur der Mensch die Fähigkeit besitzt, für die Zukunft zu planen. Denn egal, ob wir überlegen, welche Dinge wir auf eine Reise mitnehmen oder beim Mittagessen weniger essen, damit wir uns später noch ein Eis gönnen können - all dies erfordert komplexe geistige Leistungen. Wir müssen uns in zukünftige Situationen versetzen und unmittelbare Bedürfnisse zugunsten des langfristigen Ziels zurückstellen können.

Inzwischen belegen Beobachtungen, dass zumindest Menschenaffen ebenfalls zu diesen Leistungen fähig sind: So sammeln Zooschimpansen Steine, um später Besucher damit bewerfen zu können und Orang-Utans teilen ihren Artgenossen schon am Vorabend mit, wohin es am nächsten Tag geht. Ob jedoch auch Tiere außer unseren nächsten Verwandten vorausplanen können, blieb unklar.

Raben im Planungstest 

Jetzt belegen Can Kabadayi und Mathias Osvath von der Universität Lund, dass auch Raben in den illustren Club der begabten Vorausplaner gehören. Denn ihre Experimente demonstrierten: Die schlauen Krähenvögel haben selbst dann einen Sinn für die Zukunft, wenn es nicht um instinktgeleitete Verhaltensweisen wie das Verstecken von Futter geht.

In ihren Experimenten stellten die Forscher ihre fünf Raben absichtlich vor Aufgaben, die nicht zu ihrem normalen Verhaltensrepertoire gehören. In einem Test sollten sie eine Futterbox mit einem speziellen Werkzeug öffnen, in einem anderen eine Wertmarke nutzen, um sich damit vom Menschen Futter zu erkaufen. Beides fällt Kakadus und Krähen leicht, nicht jedoch den Raben.

Nutzen erst im Nachhinein 

Der Clou dabei: Das Werkzeug und die Wertmarke bekamen die Raben nicht dann, wenn sie diese brauchten. Stattdessen erhielten sie diese Objekte 15 Minuten oder sogar mehrere Stunden vorher – und mussten sich dabei zwischen diesen nützlichen Utensilien und einem Leckerbissen entscheiden. Die Vögel würden sich daher nur dann für Werkzeug oder Wertmarke entscheiden, wenn ihnen bewusst war, dass sich dies später auszahlen würde. 

Und tatsächlich: Die Raben verzichteten auf das sofortige Leckerli und entschieden sich für das erst in der Zukunft nützliche Utensil. In gut 88 Prozent der Fälle wählten sie das Werkzeug statt der Belohnung, für die Wertmarke entschieden sie sich sogar in 95 Prozent der Durchgänge, wie die Biologen berichten.

Besser als vierjährige Kinder

"Damit schneiden die Raben mindestens so gut ab wie Menschenaffen – und sogar besser als vierjährige Kinder", sagen Kabadayi und Osvath. Ihrer Ansicht nach belegen diese Ergebnisse, dass Raben zu echtem Vorausplanen fähig sind. "Sie zeigen Selbstbeherrschung und wägen auch den zeitlichen Abstand zu künftigen Ereignissen ab", so die Forscher. Zudem wenden die Vögel diese Fähigkeiten auch in Situationen an, die für sie keine Routine sind.

Die Raben gehören damit zum bisher kleinen Kreis der Tiere, die ebenso wie wir Menschen für ihre Zukunft planen können. Spannend ist dies vor allem deshalb, weil die Krähenvögel im Gegensatz zu den Menschenaffen nicht eng mit uns verwandt sind. Immerhin trennen Mensch und Vogel rund 320 Millionen Jahre der Evolution. (Science, 2017; doi: 10.1126/science.aam8138)

(Science/AAAS, 14.07.2017 - NPO) 


Nota. -  Rabenvögel sind nur die Avantgarde; wir mussten längst einsehen, dass sich menschliche Intelli- genz von tierischer Intelligenz nicht prinzipiell, sondern nur graduell unterscheidet. Aber in sehr hohem Grade; nicht doch etwa qualitativ? 

Dass unsere Intelligenz einen sehr viel weiteren Kreis unserer Lebenstätigkeit umfasst als die Intelligenz von Tieren, ist kein geringfügiger, sondern ein erheblicher Sachverhalt. Denn er hat eine systematische Ursache. Die Intelligenz von Tieren steht im Dienst der ihnen genetisch angestammten Bedürfnisse, sie ist ökonomisch und quantifizierend; tierische Intelligenz ist Verstand. Der Mensch aber erschafft sich selber neue Bedürfnisse

Wie das? Außer nach seinen Naturbedürfnissen beurteilt er das, was er vorfindet, auch qualitativ - nach gut und schlecht - und erweitert den Kreis seiner Lebenstätigkeit damit um ein Vielfaches. Seine Intelligenz enthält das Reich des Ästhetischen. Sie ist mehr als Verstand, sie ist Vernunft.
JE


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