Freitag, 11. Dezember 2015

Logische Probleme sind mitunter unentscheidbar, aber in der Physik ist manches nicht wissbar.

aus Der Standard, Wien, 10. Dezember 2015, 18:19 

Unlösbarkeit eines fundamentalen Problems der Physik 
Die Quantenmechanik kann weniger beschreiben als gedacht, zeigen Forscher aktuell in "Nature" 

London/Wien – Ungelöste Probleme gibt es in der modernen Physik zuhauf. Erstmals wurde nun aber die prinzipielle Unlösbarkeit eines fundamentalen Problems der Physik gezeigt. Damit gewinnt ein zentraler Satz der Logik, der auf den österreichischen Logiker Kurt Gödel zurückgeht, auch jenseits der Mathematik Relevanz. 

Nach Gödels Unvollständigkeitssatz kann es in logischen Systemen Sätze geben, die von außen zwar wahr sind, innerhalb des Systems aber nicht bewiesen werden können. Eine derartige Einschränkung scheint auch in der Quantenphysik zu gelten: Wie Wissenschafter nun im Fachblatt "Nature" berichten, reicht sogar eine vollständige Beschreibung der mikroskopischen Eigenschaften eines Materials nicht aus, um sein makroskopisches Verhalten vorherzusagen. 


Konkret geht es in der Studie um die Beschreibung von Elektronen in Festkörpern. Halbleiter zeichnen sich dadurch aus, dass nur wenig Energie – die sogenannte spektrale Lücke – benötigt wird, um ein Elektron aus dem niedrigsten Energiezustand in einen angeregten Zustand zu befördern. Schließt sich die spektrale Lücke, können Festkörper sprunghaft zu einem völlig anderen Verhalten übergehen und etwa plötzlich zu Leitern werden. 


Unerwartetes Ergebnis 

Wie die Wissenschafter zeigen, ist die Existenz einer solchen spektralen Lücke ein prinzipiell unlösbares Problem. "Es kann keine allgemeine Methode geben, um festzustellen, ob ein quantenmechanisch beschriebenes Material eine spektrale Lücke hat oder nicht", sagt Studien-Mitautor Toby Cubitt vom University College London. "Dies begrenzt die Möglichkeiten, das Verhalten von Quantenmaterialien vorherzusagen, entscheidend – möglicherweise sogar grundlegende Aussagen in der Teilchenphysik." 


Dass es prinzipiell unentscheidbare Probleme gibt, ist seit Gödels Arbeiten der 1930er bekannt. "Bisher fanden sich solche jedoch nur in sehr abstrakten Winkeln der Informatik und Logik", sagt Mitautor Michael Wolf, Professor an der Technischen Universität München. "Niemand hätte so etwas mitten im Herzen der theoretischen Physik erwartet." (trat


Abstract:  Nature: "Undecidability of the spectral gap"  


Nota. –  Ergänzung zu gestern. Kritisch zu bemerken ist aber, dass die beiläufigen Bemerkung, "damit gewinnt ein zentraler Satz der Logik auch jenseits der Mathematik Relevanz", den Anschein erweckt, als gäbe es einen sachlichen oder materialen Übergang zwischen Logik und Physik. Die Physik lässt sich in mathematischen Formulierungen darstellen  weitgehend, jedenfalls so weit gehend, wie sie bis heute reicht. Das ist eins. Die Annahme, dass in der Realität, die von den physikalischen Modellen auf mathe-matische Weise wiedergegeben wird, ihrerseits mathematische Regeln wie Gesetze 'wirken', ist ganz etwas anderes. Es ist ein metaphysischer Glaubenssatz, der mit Naturwissenschaft sachlich nichts zu tun hat (wenn sie auch historisch durch ihn erst entstanden ist).
JE 


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