Samstag, 14. November 2015

Konsonanten bevorzugen gemäßigtes Klima.

aus Die Presse, Wien, 5. 11. 2015

Je heißer das Land, umso mehr Vokale?
Linguisten sehen einen Zusammenhang zwischen dem Klima und dem Sound menschlicher Sprachen.

Warum klingen die Sprachen so verschieden? Warum gibt es just in slawischen Sprachen so viele gehäufte Konsonanten? Warum verzichtet das Chinesische, aber auch das Italienische weitgehend auf geschlossene Silben? Warum kommen die Klick- und Schnalzlaute fast nur in den Khoisansprachen des südlichen Afrika vor? Wieso ist im Türkischen das Ü und im Schwedischen das Ö so häufig?

Man wird wohl nie alle Charakteristika von Sprachen erklären können, weder aus kulturellen Eigenheiten noch aus naturräumlichen Faktoren. Doch schon länger grassiert eine simple, aber einleuchtende These darüber, wie das Klima die Sprachen prägen könnte: Menschen in warmen Gegenden verbringen mehr Zeit draußen, kommunizieren dort über weitere Distanzen. Sie sollten also Lautkombinationen bevorzugen, die auch unter schlechten Bedingungen gut über große Strecken übertragen werden.

Linguisten um Ian Maddieson (University of New Mexico) präsentierten nun bei der Tagung der Acoustical Society of America in Florida eine Theorie, die diese Idee verfeinert. Maddieson beruft sich dabei explizit auf eine Parallele aus der Zoologie: Singvögel verwenden eher Frequenzen, die in ihren Habitaten gut übertragen werden, so singen Waldvögel tiefer als Vögel in offenen Arealen. Denn Bäume lenken die Schallwellen ab.

Mehr Bäume, weniger Konsonanten

In menschlichen Sprachen sind Konsonanten besonders anspruchsvoll, was den Frequenzbereich anbelangt; das ist ein Grund, warum alte Leute, die die hohen Frequenzen nicht mehr hören können, Sprache so schlecht verstehen. „Das könnte erklären, warum Sprachen in Gegenden mit größerer Baumdichte dazu neigen, weniger konsonantenreich zu sein“, meint Maddieson. Aber nicht nur die Vegetation beeinflusse die bevorzugten Laute von Sprachen, sondern auch die Temperatur: Warme Luft könne kleine Wellen bilden, die die Übertragung hoher Frequenzen stören. Tatsächlich fand Maddieson eine Korrelation der Konsonantendichte von Sprachen mit der Gegend, wo sie gesprochen werden: mit Baumdichte, Niederschlag, Temperatur. Sprachen in feuchteren und heißeren Gebieten seien weniger „consonant-heavy“, fasst er zusammen.

Für ihre Analyse verwendeten die Linguisten immerhin 633 Sprachen, dabei schlossen sie aber Weltsprachen wie Spanisch, Englisch und Mandarin aus: Deren Verbreitung hat gewiss nichts mehr mit den Naturräumen zu tun, in denen sie einst entstanden sind. (tk)



Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen