Freitag, 23. November 2018

Der Kampf der Embryonen.


aus nzz.ch,

In der Schwangerschaft handeln kindliche und mütterliche Zellen die Bedingungen aus 
Nistet sich ein Embryo in der Gebärmutter ein, geht es nicht nur kuschelig zu. Blutgefässe werden angezapft, und Gewebe wird zerstört. Neu entdeckte Immunzellen spielen dabei eine ungewöhn- liche Rolle.
 
von  Lena Stallmach

Wenn ein Kind in einer Frau heranwächst, denkt man meist an ein inniges, harmonisches Verhältnis: Der winzige Embryo wird von der warmen, weichen Gebärmutter umhüllt – er wächst und gedeiht. Betrachtet man seine Einnistung in das mütterliche Gewebe aber auf der Ebene der Zellen, gleicht sie einer harschen Invasion: Kindliche Zellen strömen in das mütterliche Gewebe ein. Sie lösen das Muskelgewebe auf und bauen die mütterlichen Blutgefässe um. An entscheidenden Stellen beschädigen sie die Gefässe, so dass Blut in das entstehende Plazentagewebe strömt. All dies geschieht unter der Aufsicht von drei neu entdeckten Typen von mütterlichen Immunzellen, wie eine Studie nun zeigt.1 

Invasion wird toleriert und unterstützt 

Für eine erfolgreiche Schwangerschaft ist diese Invasion entscheidend. Denn hier bildet sich die Plazenta aus mütterlichen und kindlichen Zellen, die das Kind mit Sauerstoff und anderen Nährstoffen versorgt (siehe Grafik). Läuft dabei etwas schief, kann es zu einem frühen Abbruch der Schwangerschaft kommen oder auch zu späteren Problemen wie beispielsweise einer Präeklampsie. Dabei wird das Baby nicht ausreichend mit Nährstoffen versorgt.

Normalerweise würde bereits die Anwesenheit von fremden Zellen die Abwehrreaktion des Gewebes entfachen. Doch in einer Schwangerschaft tolerieren die mütterlichen Immunzellen nicht nur die Fremdlinge, sondern auch ihr «übergriffiges Verhalten.» Zum einen tragen die kindlichen Zellen einen Marker, der die Immunzellen in Zaum hält. Nun haben Forscher um Sarah Teichmann vom Wellcome Sanger Institute in Cambridge aber noch weitere Arten der Zellkommunikation entdeckt, die dafür sorgen, dass dieser Prozess geregelt abläuft.

 

Für ihre Analyse sammelten sie rund 70 000 Zellen aus Plazenten und dem angrenzenden Gewebe von gewollten Abbrüchen in der frühen Schwangerschaft (6. bis 14. Woche). Sie sequenzierten die gesamte RNA in den Zellen, die als Zwischenprodukt entsteht, wenn Moleküle nach der Vorlage der DNA hergestellt werden. Auf diese Weise konnten die Forscher bestimmen, welche Moleküle in den entnommenen Zellen jeweils gerade produziert werden.

Sie interessierten sich besonders für Moleküle, die bei der Zellkommunikation eingesetzt werden: Rezeptoren an der Zelloberfläche und ihre Bindungspartner (Liganden). Von diesen erstellten sie Profile sämtlicher Zelltypen und speicherten die gesammelten Informationen in einer eigens dafür erstellten Datenbank (www.cellphonedb.org).

Aus diesen Daten leiteten sie her, wie bestimmte Zellen mit anderen kommunizieren. Zum Beispiel zeigten sie, dass die embryonalen Zellen, die in die mütterliche Schleimhaut vordringen und die Blutgefässe umbauen, einen bestimmten Wachstumsfaktor produzieren. Kommt dieser in Kontakt mit bestimmten regulatorischen Immunzellen in der Mutter, regt dies deren Vermehrung an, was die Immunreaktion insgesamt drosselt. 

In Schach gehalten 

Damit es die embryonalen Zellen im mütterlichen Gewebe aber nicht zu weit treiben, werden sie von anderen Immunzellen, den sogenannten natürlichen Killerzellen, in Schach gehalten. Diese tummeln sich in grosser Zahl in der an die Plazenta angrenzenden Gebärmutterschleimhaut. Nun konnten die Forscher zeigen, dass in diesem Umfeld drei verschiedene Unterarten von natürlichen Killerzellen produziert werden.

Dies sei bemerkenswert, denn es mache den Anschein, als unterschieden sich diese spezialisierten Zellen deutlich von den natürlichen Killerzellen im Blut, schreiben die Wissenschafter Sumati Rajagopalan und Eric Long in einem begleitenden Kommentar.2 Man könne aus den Daten schliessen, dass die drei Zelltypen sowohl mit den kindlichen als auch mit den mütterlichen Zellen in Kontakt träten und darauf hinarbeiteten, dass sich die embryonalen Zellen in einem kontrollierten Rahmen ausbreiten könnten. Die Datenbank könne zudem als Referenz verwendet werden, um in Zukunft zu erforschen, was bei gewissen Schwangerschaftskomplikationen schiefläuft.

1 Nature 563, 347–353 (2018); 2 ebenda 337-338.

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