aus derStandard.at, 23. September 2018, 15:30
Unerwartete Widersprüche bei Gedankenexperiment
Aktuelle Studie führt zu Diskussionen in der Fachwelt
Obwohl
die Quantenmechanik eine durch Experimente gut untermauerte Theorie
darstellt, gilt sie nur für einen Teil des Universums: Das Verhalten von
größeren Objekten kann sie nicht befriedigend beschreiben. Nun haben
Schweizer Physiker ein Gedankenexperiment vorgestellt, das zu
unerwarteten Widersprüchen führt. Der Befund wirft grundsätzliche Fragen
auf – und polarisiert auch die Fachwelt.
Seit fast 100 Jahren
wird die Quantenmechanik stets aufs Neue mit hoher Präzision
experimentell bestätigt – und doch sind die Physiker nicht restlos
glücklich mit ihr. Denn die Quantenmechanik beschreibt zwar sehr genau
das Geschehen auf der mikroskopischen Ebene. Doch bei größeren Objekten
stößt sie an ihre Grenzen – insbesondere wenn es sich um Objekte
handelt, bei denen die Gravitationskraft eine Rolle spielt. So lässt
sich etwa das Verhalten von Planeten mit der Quantenmechanik nicht
beschreiben. Das ist nach wie vor die Domäne der allgemeinen
Relativitätstheorie, die wiederum die Vorgänge im Kleinen nicht richtig
zu beschreiben vermag. Viele Physiker träumen denn auch davon, die
Quantenmechanik mit der Relativitätstheorie zu einem schlüssigen Bild
unserer Welt zu verknüpfen.
Die Grenzen quantenphysikalischer Experimente
Doch
wie lassen sich zwei Theorien miteinander verbinden, die zwar beide in
ihren Domänen die physikalischen Vorgänge sehr treffend beschreiben,
aber eben doch sehr unterschiedlich sind? Ein möglicher Weg ist,
quantenphysikalische Experimente mit immer größeren Objekten
durchzuführen. Die Hoffnung dabei: Irgendwann tauchen Unstimmigkeiten
auf, die mögliche Lösungswege aufzeigen. Doch den Physikern sind dabei
enge Grenzen gesetzt. Das berühmte Doppelspaltexperiment etwa, mit dem
gezeigt werden kann, dass feste Partikel sich gleichzeitig wie Wellen
verhalten, lässt sich mit Alltagsgegenständen nicht durchführen.
Mit
Gedankenexperimenten hingegen lassen sich die Grenzen zur
makroskopischen Welt überwinden. Genau das haben Renato Renner,
Professor für theoretische Physik
an der Eidgenössische Technische Hochschule Zürich (ETH Zürich), und
seine ehemalige Doktorandin Daniela Frauchiger in einer Publikation
gemacht, die nun im Fachjournal "Nature Communications" vorgestellt
wurde. Salopp gesagt betrachten die beiden in ihrem Gedankenexperiment
einen hypothetischen Physiker, der ein quantenmechanisches Objekt
untersucht, und berechnen dann mit Hilfe der Quantenmechanik, was der
Physiker feststellen wird. Gemäß unserem heute gültigen Weltbild sollte
diese indirekte Betrachtung zum gleichen Resultat führen wie die direkte
Beobachtung. Doch die Berechnungen der beiden zeigen, dass dies gerade
nicht der Fall ist: Die Voraussage, was der Physiker beobachten wird,
ist gerade das Gegenteil dessen, was man direkt messen würde – eine
paradoxe Situation.
Problem, das sich nicht einfach knacken lässt
Obwohl
das Gedankenexperiment erst jetzt offiziell publiziert wird, hat es in
der Fachwelt bereits für Gesprächsstoff gesorgt. Da sich der
Publikationsprozess immer wieder verzögerte, gibt es inzwischen bereits
verschiedene andere Arbeiten, die sich mit den Befunden befassen. Die
übliche erste Reaktion in der Fachwelt sei meistens, die Berechnungen
anzuzweifeln, berichtet Renner. Doch bisher ist es niemandem gelungen,
die Kalkulationen zu falsifizieren. Ein Gutachter räumte ein, er hätte
inzwischen fünf Mal erfolglos versucht, einen Fehler in den Berechnungen
zu finden. Andere Kollegen wiederum präsentierten konkrete Erklärungen,
wie das Paradox gelöst werden kann. Doch bei näherem Hinsehen zeigte
sich stets, dass es sich um Ad-hoc-Lösungen handelt, mit denen sich das
Problem nicht aus der Welt schaffen lässt.
Bemerkenswert
findet Renner, dass das Thema offenbar polarisiert. Einige Kollegen
hätten auf seine Ergebnisse sehr emotional reagiert, stellt er erstaunt
fest. Das liegt wohl daran, dass die zwei naheliegenden
Schlussfolgerungen aus Renners und Frauchigers Befunden gleichermassen
irritierend sind. Die eine Erklärung ist, dass die Quantenmechanik
offensichtlich nicht wie bisher angenommen universell anwendbar ist und
demnach nicht auf größere Objekte angewendet werden kann. Doch wie kann
es sein, dass eine Theorie, die experimentell immer wieder so deutlich
bestätigt wurde, inkonsistent ist? Die andere Erklärung lautet, dass es
offenbar auch in der Physik keine klaren Fakten gibt und dass es neben
dem, was wir für wahr halten, auch noch andere Möglichkeiten gibt.
Lösungen von unerwarteter Seite
Mit
beiden Interpretationen tut sich Renner schwer. Er ist vielmehr
überzeugt, dass sich das Paradox auf andere Weise lösen wird: "Wenn man
in der Geschichte zurückblickt, dann kam die Lösung in solchen Momenten
oft von unerwarteter Seite", erklärt er. So basiert beispielsweise die
allgemeine Relativitätstheorie, mit der Widersprüche in der Newtonschen
Physik aufgelöst werden konnten, auf der Einsicht, dass das damals noch
gängige Konzept der Zeit falsch war. "Unsere Aufgabe besteht nun darin
zu prüfen, ob wir bei unserem Gedankenexperiment nicht Annahmen
getroffen haben, die wir in dieser Form nicht hätten treffen dürfen",
erklärt Renner.
"Wer weiß, vielleicht müssen wir sogar unsere
Vorstellung von Raum und Zeit nochmals revidieren." Für Renner wäre das
durchaus eine reizvolle Option: "Nur wenn wir bisherige Theorien
fundamental überdenken, gelangen wir zu tieferen Einsichten, wie die
Natur wirklich funktioniert." (red.)
Nota. - Erkenntnislogisch ist es gar nicht vorstellbar, dass die Vorstellungsweisen von der Mikrowelt gleichermaßen auf Meso- und Makroshpäre passten. Es machte überdies nicht nur die Annahme eines intelligenten Designers wahrscheinlich, sondern auch die, dass seine Intelligenz die unsere durchflutet.
JE
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