Montag, 27. August 2018

Zu künstlich, um intelligent zu sein.

aus welt.de, 27. 8. 2018

Warum dich Alexa und Siri niemals verstehen werden



Künstliche Intelligenz nimmt uns mehr und mehr das Denken ab. Was wären wir ohne die Suchvorschläge von Google, Apple oder Amazon? Das Problem ist nur: Sie können uns gar nicht verstehen und werden es nie können. Das soll uns folgendes Gedankenexperiment zeigen.So ungefähr sieht eine Konversation mit einem Sprachassistenten aus: 

Mensch: „Alexa, was ist Pfeffer?“
Alexa: „Der Pfefferstrauch, auch schwarzer Pfeffer oder kurz Pfeffer genannt …“ 

Der Mensch stellt eine einfache Frage und bekommt eine komplizierte Antwort. Sprachassistenten interpretieren unsere Fragen falsch. Ihre künstliche Intelligenz steckt noch im Kleinkindstadium. Vielleicht bessert sich das in Zukunft?

Nein, niemals, meint der Philosoph John Rogers Searle.

_Searle_speaking_at_Google_4.jpg John Searle


An seinem Gedankenexperiment „Das Chinesische Zimmer“ kommt heute niemand vorbei, der sich mit Philosophie befasst. Dabei erblickte das „Chinesische Zimmer“ das Licht der Welt bereits 1980. 

Das Gedankenexperiment lässt uns tiefer blicken in das menschliche Bewusstsein. Das zumindest hofft Searle. Legen wir los: Du nimmst an einem Versuch teil und lässt dich in ein Zimmer sperren. Vor dir liegen Körbe mit chinesischen Zeichen. Schade, dass du kein Wort Chinesisch sprichst. Dann wirft man dir durch einen Türschlitz noch andere chinesische Zeichen zu. Nennen wir sie der Einfachheit halber die Zeichenfolge UVW. Die bildet eine Frage (nur du kannst ja nicht mal verstehen, dass das eine Frage sein soll). Da fällt dein Blick auf ein Buch. Darin steht, wie du die Zeichenfolge kombinieren kannst. Auf einer Seite heißt es zum Beispiel: „Wenn die Zeichenfolge UVW kommt, wirf die Zeichenfolge XYZ durch den Türschlitz.“ 

Na also! Man hat dir UVW zugeworfen, drum wirfst du XYZ durch den Schlitz. Was du nicht weißt: XYZ war eine korrekte Antwort auf die Frage UVW. Die Leute hinter der Tür freuen sich über deine Antwort. Das Frage-Antwort-Spiel könnte immer so weitergehen. Searle meint sogar: 

"Wenn die Leute hinter der Tür nicht aufgeklärt werden, würden sie nie merken, dass du kein Chinesisch kannst." John Rogers Searle, Philosoph, University of California, Berkeley 

Doch eine Frage kommt auf: Wenn die Leute zufrieden sind mit den Antworten – vielleicht kannst du dann ja wirklich Chinesisch?

Searle antwortet auf diese Frage mit Nein.

Und genau mit diesem Denkansatz kritisiert er künstliche Intelligenz. 

Kann künstliche Intelligenz Chinesisch oder eine andere Sprache sprechen? Searle sagt: Nein. Denn künstliche Intelligenz würde beim Sprechen auch nur Regeln befolgen und die Wörter nicht verstehen. 

Programme wie Siri oder der Alexa-Sprachassistent schnappen sich beim Sprechen im Sekundentakt Wörter aus Datenbanken von Wikipedia und Co – so, wie du aus den Körben die Zeichen greifst. Wenn du Alexa fragst: „Was ist deine Lieblingsfarbe?“, zieht Alexa die Antwort aus der Datenbank. Was es bedeutet, eine Lieblingsfarbe zu haben, kann Alexa nicht verstehen. 

Das Programm selbst enthält die Regeln, wie es die Wörter kombinieren kann. Es ist nichts anderes als das Buch in unserem Gedankenexperiment. Nur passen ins Programm sicherlich mehr Regeln rein, und es ist imstande, immer wieder neue Regeln aufzunehmen. Das chinesische Zimmer ist also nur eine Illustration für Kritik an der so viel gelobten künstlichen Intelligenz. Searle meint, Sprachassistenten geht es wie dir im chinesischen Zimmer. Künstliche Intelligenz kann nicht sprechen. Maschinen können nur strukturelle Regeln lernen (Syntax) und mit diesen Regeln nie auf die Bedeutungsebene von Zeichen oder Wörtern (Semantik) vordringen. Wir können auch semantische Inhalte verstehen, und das liegt an der Natur des Bewusstseins selbst. 

"Unsere geistigen Zustände haben semantischen Gehalt." 

Geistige Zustände und Sprache haben beide eine semantische Ebene. Und irgendwie ist das auch kein Wunder – schließlich hat der menschliche Geist ja die Sprachen erdacht.

Zwei Fragen bleiben jedoch offen, und so geben wir sie an dich weiter: Was soll das heißen, „unsere geistigen Zustände haben semantischen Gehalt“? Und für welche Berufe eignet sich ein Mensch deshalb besser als eine künstliche Intelligenz? 


Nota. - Semantischer Gehalt ist das, was gewöhnlich Bedeutung genannt wird. Bedeutung ist dasjenige, was mich veranlassen kann, dieses oder jenes zu tun oder zu lassen. Woraus sogleich erhellt: Irgend etwas hat nicht Bedeutung an sich, sondern für mich. Damit etwas für mich etwas bedeuten kann, muss ich handeln können, und das heißt nicht bloß: irgendwas tun, sondern willentlich etwas tun. 

Tun kann die Maschine auch dieses und jenes. Aber sie kann es nicht selber wollen. Sie kann den Willen eines Subjekts wie irgendein anderes Kommando entschlüsseln und ausführen. Aber aus freien Stücken selber etwas wollen, z. B. ein Stück Holz zu einem Kochlöffel bedeuten und im Geist bestimmen kann sie nicht.
JE

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