Mittwoch, 17. Januar 2018

Wo sitzt das schöpferische Denken?


aus FAZ.NET, 17. 1. 2018

Schöpferisches Denken setzt offenbar eine ganz besondere Architektur der Hirnaktivitäten voraus. Ein funktionales Dreigestirn der Kreativität. So sehen das die Psychologen um den Harvard-Forscher Roger Beaty, die die Gehirne von 163  Menschen bei ihrem Versuch beobachteten, ganz bestimmte Denkaufgaben in der Röhre eines Hirnscanners zu lösen, bei denen originelle Einfälle gefragt waren. Wer sich als kreativ erwies, dessen Gehirn (linke Abbildung) tickte anders. 

Das betrifft drei Netzwerke in der Großhirnrinde: 1. das Ruhezustandsnetzwerk (Default Mode Network), das  beim Abschweifen der Gedanken aktiv ist. 2. das Executive-Netzwerk, das unser Arbeitsgedächtnis fokussiert und 3. das Salience-Netzwerk, das unsere Aufmerksamkeit lenkt. Alle drei Netzwerke sind bei hochgradig originellen Köpfen auffallend eng miteinander gekoppelt, sie kommunizieren intensiv und nahezu gleichzeitig miteinander. Die Hirnaktivität weniger kreativer Denker ist dagegen eher diffus auf andere Hirnareale gerichtet (rechts).


Nota. - Bleibt die Frage: Ist der Mensch kreativer, weil die drei Bereiche bei ihm enger verschaltet sind, oder sind sie enger verschaltet, weil er sein Gehirn auf schöpferische Weise nutzt?
JE 


aus derStandard.at, 17. Jänner 2018, 06:00

Ein Vorhersagemodell für Kreativität
Ein internationales Forscherteam mit Grazer Beteiligung identifizierte besondere Netzwerke im Gehirn. Profile dieser Netzwerke könnten künftig über individuelle Kreativitätspotenziale Auskunft geben

Graz/Wien – Kreative Lösungen auf anstehende Probleme zu finden spielt in vielen Lebenssituationen eine wichtige Rolle. Doch nicht nur das. Laut den Theorien des US-Theoretikers Richard Florida sind die "kreative Klasse" einer Gesellschaft und die von ihr ausgehenden Innovationen entscheidend für das ökonomische Wachstum von Regionen.

Tatsächlich wissen wir aber noch nicht wirklich gut Bescheid, was im Gehirn beim kreativen Denken vor sich geht. Klar ist nur, dass es durch äußere Rahmenbedingungen gefördert oder behindert werden kann – in der Kunst ebenso wie in der Wissenschaft, der Wirtschaft oder im Alltag.
Was aber spielt sich im Gehirn ab, wenn Personen als Lösung einer Aufgabe neuartige, originelle Ideen hervorbringen? Das versuchen die Kreativitätsforscher Andreas Fink und Mathias Benedek am Institut für Psychologie der Uni Graz herauszufinden.

Sie haben zuletzt an einer am Montag im Fachblatt PNAS erschienenen Studie mitgearbeitet, die aufzeigt, wie über die Auswertung von Gehirnaktivierungsmuster eine Vorhersage der individuellen menschlicher Kreativität möglich wird. Damit könnte das jeweilige Kreativitätspotenzial erkannt und möglicherweise auch noch gefördert werden.

Mit modernsten Methoden wie beispielsweise funktioneller Magnetresonanztomografie (fMRT) versuchen Forscher das Funktionieren des komplizierten "Schaltplans" des menschlichen Gehirns, das sogenannte Konnektom, aufzuschlüsseln. Denn das menschliche Gehirn besteht zwar aus spezialisierten Regionen, doch zur effizienten Informationsverarbeitung ziehen mehrere Regionen an einem Strang. "Die eine kreative Region im Gehirn gibt es nicht", betont der Psychologe und Neurowissenschafter.

An der Uni Graz werden seit rund einem Jahrzehnt entsprechende neurophysiologische Messungen durchgeführt. "Wir wissen durch unsere langjährigen Studien, dass sich kreatives Denken nicht nur in der Aktivierung bestimmter Gehirnregionen widerspiegelt, sondern insbesondere auch in der Art, wie große Gehirnnetzwerke interagieren", so Benedek. In Kooperation mit Kollegen unter anderem der Harvard University und China sind die Grazer Forscher mithilfe des sogenannten Connectome-based predictive modeling (CPM), das auf fMRT-Daten basiert, den Vorgängen im Gehirn auf der Spur.

Wie die jüngste Studie zeigte, interagieren beim kreativen Denken Netzwerke, die sonst eher unabhängig sind oder sogar gegenläufige Aufgaben haben. Insgesamt wurden die internationalen Daten von 163 Testpersonen, die sich in die MRT-Röhre legten und dabei eine einfache alltägliche Kreativitätsaufgabe zu lösen hatten, ausgewertet.

Interaktion der Netzwerke

So habe sich im Vergleich von einander unabhängigen Datensätzen ein charakteristisches Zusammenspiel von Netzwerken gezeigt, wenn besonders kreative Lösungen gefragt waren. Diese Netzwerke spielen zum einen im Zusammenhang mit Tagträumen und Ruhezuständen eine Rolle, aber auch mit starken Kontroll- und Gedächtnisfunktionen. Bei kreativen Personen war die Interaktion zwischen diesen Netzwerken so ausgeprägt, dass sogar eine Vorhersage von individuellem Unterschied in der Kreativität möglich ist.

Weiters habe sich gezeigt, dass bei den besonders kreativen Probanden auch im Ruhezustand diese charakteristischen funktionellen Netzwerke miteinander interagierten. "Das Tolle an der vorliegenden Studie ist, dass sich dieses Zusammenspiel über die Labore und Arbeitsgruppen hinweg bestätigt hat", freute sich Fink über die Studienergebnisse. (APA,)

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