Dienstag, 12. Dezember 2017

Toolmaking animal.



aus derStandard.at, 11. Dezember 2017, 18:42

Rätselhafter Werkzeugbauer
Die Geradschnabelkrähe ist das einzige Tier, das selbstgemachte Haken benutzt. Nun haben Biologen bei den Vögeln eine überraschende Beobachtung gemacht

von Thomas Bergmayr

St Andrews / Wien – Der Haken gilt als eine der wichtigsten Erfindungen in der Geschichte. Überraschenderweise trat dieses mächtige Werkzeug bei uns Menschen erst sehr spät in Erscheinung. Die beiden ältesten bisher entdeckten Angelhaken haben Archäologen im Vorjahr in einer Höhle auf der japanischen Insel Okinawa freigelegt. Die sorgfältig aus Schneckenschalen gefertigten Bögen waren im September 2016 auf 23.000 Jahre datiert worden.

Im Tierreich kennt man den Haken dagegen bereits wesentlich länger: Die Geradschnabelkrähe (Corvus moneduloides) ist die einzige Spezies außer dem Menschen, die weiß, wie man sich aus Zweigen Haken bastelt, um damit auf Beutefang zu gehen – und das vermutlich bereits seit mehr als drei Millionen Jahren.

Die Geradschnabelkrähe ist in der Lage, hakenförmige Werkzeuge aus Zweigen zu konstruieren, um Maden aus Löchern hervorzuholen. Unterschiedliche Methoden

Diese geflügelten "Intelligenzbestien" kommen ausschließlich auf der östlich von Australien gelegenen Inselgruppe Neukaledonien vor, und ihre bevorzugten Opfer sind die Larven eines Bockkäfers. Um die mehrere Zentimeter langen Maden aus ihren Verstecken im Holz des Lichtnussbaumes herauszufischen, biegen sich die Krähen Zweige eines bestimmten Baumes zurecht.

Nun hat ein britisches Team um Christian Rutz von der University of St Andrews festgestellt, dass nicht alle Geradschnabelkrähen ihre Haken gleichartig formen. "Wir nahmen zunächst an, dass jene von den Vögeln hergestellten Werkzeuge, die einen besonders ausgeprägten Haken aufwiesen, auch effizienter eingesetzt werden", berichtet Rutz im Fachblatt "Current Biology". Immerhin konnten die Forscher nachweisen, dass die Vögel mit größeren Haken schneller an ihre Larven kamen.

Bei Experimenten offenbarten Geradschnabelkrähen ein tieferes Verständnis für physikalische Zusammenhänge.
 
Die Beobachtungen zeigten, dass sowohl das verwendete Material als auch die Bearbeitungsmethode entscheidende Rollen dabei spielen: Je steifer und hölzerner die verwendeten Zweige sind und je mehr Zeit die Tiere zum Biegen des Hakens aufwenden, desto erfolgreicher sind sie mit dem jeweiligen Werkzeug beim Hervorholen der Larven.

Umso überraschter waren allerdings die Wissenschafter, als sie beobachteten, dass ältere und damit erwartungsgemäß erfahrenere Geradschnabelkrähen ihre Haken viel schlampiger und weniger effizient zurechtbogen. Offensichtlich bedeutet die Herstellung von "besseren" Haken nicht unbedingt automatisch auch die ideale Strategie, um an die schmackhaften Larven zu gelangen.

foto: university of st andrews/james st clair Überraschenderweise basten ältere, erfahrene Geradschnabelkrähen meist nicht die effizientesten Haken.

Zu viel Aufwand

Diese Erkenntnis stellt die Forscher vor ein Rätsel. "Möglicherweise braucht es mehr Zeit, ideal gebogene Haken zu erschaffen, und erfahrene Krähen sind geneigt, diesen Aufwand zu vermeiden", meint Rutz. "Oder die Tiere haben die Erfahrung gemacht, dass stärker gebogene Haken eher brechen, wenn sie in die Madenlöcher eingeführt werden." 

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