aus derStandard.at, 22. November 2017, 18:08
Forscher zweifelt an
Existenz von Dunkler Materie und Dunkler Energie
Andre Maeder legt der Fachwelt ein Konzept zur Diskussion vor, das
angeblich ohne die beiden Faktoren auskommt
Genf – Gemäß dem Standardmodell der Kosmologie hat sämtliche sichtbare
Materie nur einen Anteil von knapp fünf Prozent am gesamten Masse-
beziehungsweise Energiegehalt des Universums. 23 Prozent entfallen auf
die Dunkle Materie, 72 Prozent auf die Dunkle Energie – zwei Faktoren,
für die es nach wie vor keinerlei direkten Nachweis gibt.
Die beiden unbekannten Größen
So unbefriedigend es auch sein mag, wenn eine Gleichung in einem
derartigen Ausmaß mit unbekannten Faktoren arbeitet – eine bessere
Erklärung für einige Phänomene im Kosmos hat man bisher nicht gefunden.
So dehnt sich das Universum nicht einfach nur aus, diese Expansion
beschleunigt sich auch noch. Es muss also etwas geben, das der
Gravitation entgegenwirkt – das wäre die Dunkle Energie.
Dunkle Materie wiederum soll jene "fehlende" Materie sein, die unter
anderem die beobachtbare Rotation von Galaxien erklärt. In ihren
Außenregionen rotieren Galaxien nämlich schneller, als aufgrund der
sichtbaren Materie möglich sein sollte.
Rechnung ohne Dunkelfaktoren
Nun tritt Andre Maeder von der Universität Genf auf den Plan und stellt
die Existenz der beiden Dunkelfaktoren infrage. Der Schweizer Forscher
erklärte, dass er das bisherige Modell um einen missachteten Faktor
ergänzt habe, nämlich das Konzept der sogenannten Skaleninvarianz.
Dieses läuft auf einen Zustand der "Selbstähnlichkeit" eines Objekts
hinaus – das heißt, dass dessen Eigenschaften bei Betrachtung in
unterschiedlichen Größenordnungen dieselben bleiben. Das Objekt wäre in
diesem Fall der Leerraum im Universum.
Die mathematische Beschreibung des Universums beruht auf Einsteins
allgemeiner Relativitätstheorie, Newtons Gesetz der universellen
Gravitation und der Quantenmechanik. Dem fügt Maeder nun die
Skaleninvarianz des leeren Raums hinzu, dessen Eigenschaften sich dem
Konzept zufolge mit Ausdehnung oder Kontraktion nicht verändern.
Maeder sagt, er habe das Standardmodell unter Berücksichtigung der
Skaleninvarianz des Leerraums geändert – und die bisherigen Probleme
seien verschwunden. Die beschleunigte Ausdehnung des Universums lasse
sich so auch ohne Dunkle Energie abbilden. Außerdem habe er Newtons
Gesetz der universellen Gravitation entsprechend modifiziert, was eine
Erklärung für die Bewegung von Sternen in Galaxien liefere – ganz ohne
Dunkle Materie.
Die Debatte ist eröffnet
Im Detail hat Maeder seine Berechnungen im "Astrophysical Journal"
präsentiert – die Abhandlung wird in den kommenden Wochen von
Astrophysikern vermutlich genauestens unter die Lupe genommen. Die
Universität Genf räumte schon vorab ein, dass die neue Hypothese einige
Fragen aufwerfen und Kontroversen schüren dürfte. (red, APA)
Link
arXiv: "Dynamical effects of the scale invariance of the empty space: The fall of dark matter ?" (pdf)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen