Dienstag, 14. Februar 2017

Selbstbewusste Rhesusäffchen.


aus derStandard.at, 14. Februar 2017, 19:53

Trainierte Rhesusaffen können sich im Spiegel erkennen
Haben sie erst einmal die Funktionsweise des Spiegels verstanden, werden Zähne und Genitalien inspiziert und die Haare gekämmt

Schanghai – Es mag uns seltsam erscheinen, aber nur die wenigsten Tiere sind dazu in der Lage, sich im Spiegel zu erkennen: Menschenaffen, Delfine, Indische Elefanten können es; Menschenkinder schaffen es ab etwa zwei Jahren. Nun schlagen Forscher um den renommierten Neurowissenschafter Mu-ming Poo (Schanghai-Institut für Biowissenschaften) im Fachblatt "PNAS" vor, den exklusiven Klub um ein neues Mitglied zu erweitern – wenn auch unter bestimmten Bedingungen.
 
Durch einige Tricks gelang es den Forschern nämlich, auch Rhesusaffen diese Fähigkeit beizubringen. Diese Primatenart kann sich – wie auch Hunde und Schweine – im Normalfall zwar selbst nicht im Spiegel erkennen, aber diesen immerhin dazu nützen, um Futter zu finden.

Das Schlüsselexperiment

 
Um drei jungen Rhesusaffen diese ihnen ansonsten unbekannte Art der Selbstwahrnehmung beizubringen, wurden die Tiere vor einem Spiegel gesetzt, ehe man ihre Umgebung mit einem harmlosen Laserpointer anstrahlte. Berührten die Tiere den Lichtpunkt, den sie nur über den Spiegel wahrnehmen konnten, gab es Futter.
 
"Das war der Schlüssel", sagt Poo.


So lernten die Affen, wie Spiegel funktionieren.

Denn danach wurde den drei trainierten Affen ein geruchloses rotes, schwarzes oder grünes Tixoband so angeklebt, dass sie es ohne Spiegel nicht sehen konnten, ehe sie in einen Käfig mit Spiegel gesteckt wurden. Die Affen zögerten nicht und griffen sofort in Richtung der Tixostreifen, die sie im Spiegel entdeckten. Und als sie dann von den Forschern alleine gelassen wurden, taten sie das, was man von jemandem erwarten würde, der gerade entdeckt hat, wie ein Spiegel funktioniert: Die Affen inspizierten mit dem Spiegel ihre Zähne, kämmten sich ihre Haare und inspizierten ihre Genitalien.
Die Affen der untrainierten Kontrollgruppe hingegen taten nichts dergleichen. (tasch)


Abstract
PNAS: "Spontaneous expression of mirror self-recognition in monkeys after learning precise visual-proprioceptive association for mirror images"



Nota. - Ein zählebiges Dogma der Biologie hat sich im allgemeinen Volksbewusstsein festgesetzt, möchte man meinen: "Die Natur verschwendet nichts." Ein Dogma, weil es blind geglaubt wird ohne jede empirische Grundlage, ja entgegen dem bloßen Augenschein. Tatsächlich war sein Gang auch umgekehrt: Nicht aus der Wissenschaft ins Volksvorurteil, sondern aus dem Volks-, genauer: Bour- geois-Vorurteil hat es einen Weg in die Wissenschaft genommen. Im Gegenteil müsste es heißen: Nichts tut die Natur systematischer als verschwenden! Systematisch muss es ja wohl auch sein, wenn die Evolution durch Auslese stattfinden soll; Auslese der am besten Geeigneten aus einer großen Masse von Irrläufern. 

Die Rhesusäffchen sind ein Beispiel. Dass Schimpansen und Gorillas imstande sind, sich im Spiegel als 'ich-selbst' wiederzuerkennen, ist lange bekannt. Doch erstens sind sie als Menschenaffen unsere nächsten Verwandten, und es muss uns nicht kränken; aber zweitens geschieht es nur unter außerge- wöhnlich günstigen Umständen, nämlich in der Versuchsstation; im Urwald liegen keine Spiegel herum.


Und nun lernen wir: Wenn man sie dressiert, können's Rhesusaffen auch. Wer weiß - und vielleicht die Katta-Lemuren?

Hypertelie hat Adolf Portmann die Neigung der Natur genannt, ihre Lebewesen mit viel mehr Fähig- keiten auszustatten, als sie in ihrer natürlich Umwelt gebrauchen können - und es für ihr allgemeines Gesetz gehalten: "Übers Ziel hinaus" müssen die Lebewesen - wenigstens immer ein paar in jeder Gattung - equipped sein, wenn die Gattungen sich auf veränderte Lebensbedingungen um- und ein- stellen können sollen.

Man könnte auf die Idee kommen, dass auch wir Menschen uns unsere besondere Intelligenz, die wir Geist nennen, nur zugezogen haben, weil wir seinerzeit overequipped in die Welt gekommen sind.
JE

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