Montag, 20. Februar 2017

Johannes Kepler.

aus Die Presse, Wien, 20. Februar 2017, 05:30

Ein Pionier auf der Suche nach der Weltharmonie
Der Wiener Astronom Thomas Posch widmet sich auch den weniger bekannten Spuren von Kepler als Naturphilosoph, Mathematiker und Theologe

Wien – Der Astronom Johannes Kepler (1571-1630) gilt als einer der Begründer der modernen Naturwissenschaft: Mit der Formulierung der Gesetze der Planetenbewegung wurde er zu einem Pionier der neuzeitlichen Astronomie. In einem neuen Buch zeichnet der Wiener Astronom Thomas Posch das Porträt des Forschers und widmet sich auch dessen weniger bekannten Spuren als Naturphilosoph, Mathematiker und Theologe.

Nikolaus Kopernikus (1473-1543) revolutionierte die Sicht auf das Sonnensystem, als er erklärte, nicht die Erde, sondern die Sonne stehe in dessen Mittelpunkt. Kepler baute auf dieses heftig umstrittene heliozentrische Weltbild auf: Er sah es nicht wie Kopernikus nur als hilfreiches mathematisches Konstrukt, sondern als physikalische Realität und entdeckte auf der Suche nach einer "Weltharmonie" drei fundamentale Gesetzmäßigkeiten für die Umlaufbahnen der Planeten um die Sonne.

Keplers Gesetze

Die drei Keplerschen Gesetze besagen, dass sich die Planeten nicht auf kreisförmigen, sondern elliptischen Bahnen bewegen. Das tun sie umso schneller, je näher sie der Sonne kommen. Und schließlich fand er Gesetzmäßigkeiten im Verhältnis zwischen den Umlaufzeiten der Planeten und deren mittleren Abständen von der Sonne.

Posch zeichnet Keplers Leben und Wirken anhand dessen Lebensstationen nach, beginnend bei seiner Herkunft aus der Stadt Weil bei Stuttgart, seinem Studium der Theologie in Tübingen, seinen Jahren als Mathematiklehrer an der protestantischen Stiftsschule in Graz, als kaiserlicher Mathematiker unter Rudolf II. in Prag und Linz sowie seinen turbulenten letzten Jahren, in denen er u.a. astrologischer Berater von General Wallenstein war. Ausführlich widmet sich das Buch auch der Rezeption von Keplers Werk bis ins 20. Jahrhundert.

Anhand zahlreicher Zitate aus Werken und Briefen Keplers gibt Posch einen lebendigen Einblick in Leben und Arbeit eines Forschers in der Renaissancezeit, zunächst noch ohne Fernrohr (das erste wurde erst 1608 gebaut) und mit einfachsten Hilfsmitteln wie einem selbst aus Holzlatten zusammengebauten Winkelmessgerät. Er vermittelt auch das vielseitige Schaffen Keplers, der nicht nur in der Astronomie Bedeutendes geleistet hat, sondern auch dessen Errungenschaften in der Optik und der Mathematik.

Krankheit, Geldnot und der Dreißigjährige Krieg

Gleichzeitig beschreibt die Biographie Keplers nicht immer einfachen Alltag. Der war geprägt von Krankheit, Geldnot, ungewisser Zukunft und den historischen Entwicklungen mit heftigen konfessionellen Auseinandersetzungen, der Gegenreformation und dem Dreißigjährigen Krieg.

Auch wenn er heute vor allem als Astronom bekannt ist, sah Kepler in der Theologie "seine primäre Berufung", schreibt Posch, für den alle großen Werke des Astronomen nicht nur naturwissenschaftliche, sondern ebenso sehr naturphilosophische und theologische Arbeiten sind. Der Autor betont zwar Keplers Abgrenzung gegenüber pseudowissenschaftlichen Bestrebungen, stört sich aber nicht an der Vermischung vom ganzheitlichen Blick mit dem Glauben an einen übernatürlichen Weltenplan. Keplers Worte wie "Ich wollte Theologe werden ... Nun aber seht, wie Gott durch mein Bemühen auch in der Astronomie gefeiert wird", sind für Posch "Kern des keplerschen Denkens".

Kepler träumt von der "Weltharmonik"

Voltaire und Laplace orteten bei Keplers metaphysischen und theologischen Ausführungen sowie seiner Suche nach Gesetzen der musikalischen Harmonie in der Anordnung des Sonnensystems "Träumereien" bzw. "Verirrung einer träumerischen Einbildungskraft". Für Posch ist der keplersche Kosmos dagegen einer, "dessen geistige Struktur dem Menschen erlaubt, sich darin staunend und mit großer Freude wiederzufinden". Der Autor räumt aber ein, dass dieser Grundgedanke der "Weltharmonik" über Jahrhunderte hinweg einen Stein des Anstoßes bildete und auch "den Menschen des 20. und 21. Jahrhunderts ein 'harmonikaler' Kosmos im Durchschnitt wohl noch fremder als seinen Vorgängern in der Kepler-Rezeption ist". (APA.) 

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