Gehirn gaukelt scharfes Sehen vor
Eyetracking-Experiment zeigt Verknüpfung zwischen scharfen und unscharfen Seh-Eindrücken
Gehirn ersetzt unscharfe Bilder
Wie unser Gehirn das Scharf-Sehen vorgaukelt, haben die Psychologen Arvid Herwig und Werner Schneider von der Universität Bielefeld mit einer Experimentreihe untersucht. Sie gehen davon aus, dass Menschen im Laufe ihres Lebens in unzähligen Blickbewegungen lernen, den unscharfen Seheindruck von Objekten außerhalb der Fovea mit dem scharfen Bild nach der Augenbewegung zu verknüpfen. Sieht eine Person im Augenwinkel unscharf einen Fußball, vergleicht ihr Gehirn dieses aktuelle Bild mit gespeicherten Bildern von unscharfen Objekten. Findet das Gehirn ein passendes Bild, ersetzt es den unscharfen Eindruck durch ein damit verknüpftes präzises Bild aus dem Gedächtnis.
Der Daumennagel am Ende eines ausgestreckten Arms: Das ist der Bereich, den das Auge tatsächlich scharf sehen kann.
Neue Verknüpfung nach wenigen Minuten
Das Ergebnis: Bereits nach wenigen Minuten verknüpften die Versuchsteilnehmer einen unscharfen Seheindruck mit dem zugehörigen scharfen Bild. Das außerfoveale, eigentlich verschwommene Bild ähnelt dadurch den neu erlernten scharfen Seheindrücken immer mehr. "Die Experimente zeigen, dass unser Seheindruck wesentlich von gespeicherten Erfahrungen in unserem Gedächtnis abhängt", so Herwig.
Der Versuch zeigte ebenfalls, dass das Gehirn das unscharfe Bild bereits ersetzt, noch bevor sich der Blick tatsächlich auf ein Objekt am Rande des Blickfelds zu bewegt. Einen unscharfen Fußball glauben wir genau zu erkennen, obwohl das noch nicht der Fall ist – das im Gehirn gespeicherte scharfe und mit dem unscharfen verknüpfte Bild macht es möglich. Anders ausgedrückt: "Wir sehen nicht die aktuelle Welt, sondern unsere Vorhersagen."
(Journal of Experimental Psychology, 2014; doi: 10.1037/a0036781)
(Universität Bielefeld, 13.10.2014 - AKR)
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